Brüssel. Europas Datenschutz-Vorschriften stammen noch aus der Anfangszeit des Internets. Sie sollen nun reformiert werden. EU-Justizkommissarin Viviane Reding fordert ein „Recht auf Vergessenwerden“ und eine einheitliche Regelung für Europa - und die Frauenquote.
Besserer Datenschutz: Die Bürger sollen künftig sicherer im Internet unterwegs sein. Dazu planen die Europäer, ihre bereits 18 Jahre alten Datenschutz-Vorschriften zu modernisieren. Die EU-Kommission hat dazu voriges Jahr einen viel diskutierten Gesetzesvorschlag vorgelegt.
Dieser sieht zum Beispiel vor, dass Facebook-Nutzer ein "Recht auf Vergessenwerden" haben, so dass ihre Daten nicht für immer gespeichert werden. Über den Gesetzesentwurf sprechen nun Europas Justizminister am Freitag in Brüssel. EU-Justizkommissarin Viviane Reding erläutert, was sie für Internet-Nutzer und Unternehmen anstrebt.
Der Datenschutz ist ein umstrittenes Thema. Die Staaten und das EU-Parlament debattieren darüber; US-Lobbyisten, Industrie- und Wirtschaftsverbände versuchen auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Vorschläge verwässert werden?
Keine allzu großen. Es liegt in der Natur von Verhandlungen, dass zunächst einmal Maximalpositionen auf den Tisch gelegt werden. Danach wird darüber gesprochen. Wir wollen das etwa bis April des kommenden Jahres abschließen, bevor die Kampagne für die Wahl zum EU-Parlament beginnt. Ich glaube, dass am Ende ein guter Gesetzestext dabei herauskommt.
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Mein Vorschlag sieht vor, dass alle Unternehmen, die unsere Goldgrube, den Europäischen Binnenmarkt mit seinen potentiellen 500 Millionen Kunden nutzen wollen, sich an die europäischen Spielregeln halten müssen. Diese sollen vereinheitlicht werden. Bisher gibt es 27 nationale Bestimmungen, die einander teilweise widersprechen und das Ausmaß des Datenschutzes unterschiedlich festlegen. Künftig soll jedoch gelten: ein Kontinent, eine Regelung.
Allein durch diese Vereinfachung würden sich die Unternehmen in der EU jährlich 2,3 Milliarden Euro sparen. Für mich ist es undenkbar, US-Unternehmen von der EU-Datenschutzverordnung auszunehmen.
Befürchten Betriebe nicht ebenso einen Mehraufwand?
Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 250 Beschäftigten sind von einigen Regelungen der Datenschutzverordnung bereits ausgenommen. Sie brauchen zum Beispiel keinen eigenen Datenschutz-Beauftragten. Gleichzeitig wird zwischen den Unternehmen unterschieden: Ein Bäckereibetrieb wird logischerweise andere Auflagen zu erfüllen haben als ein Unternehmen, das Gesundheitsdaten verarbeitet.
Und generell müssen, wenn wir einen Binnenmarkt haben, auch die Daten von Bürgern grenzüberschreitend geschützt werden. „Die Daten gehören dem Bürger“ – das muss gewährleistet sein. Das Datenschutzrecht muss ans digitale Alter angepasst werden, denn 1995 steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, und der Facebook-Gründer war elf Jahre alt.
Was soll sich für die Facebook-Nutzer von heute ändern?
Sie sollen das Recht auf Vergessenwerden besser durchsetzen können. Wenn jemand seine Daten gelöscht haben will, dann soll das möglich sein. Das erste Unternehmen, das diese Angaben gespeichert hat, ist dann unter bestimmten Bedingungen dazu verpflichtet. Und wenn es die Daten an andere Firmen weitergegeben hat, dann muss es diese informieren, dass der Nutzer seine Daten gelöscht haben will.
Wer kann kontrollieren, ob sich Firmen an die Vorgaben halten?
Die nationalen Datenschutzbeauftragten. Wir haben bewusst keine europäische Super- Datenschutzbehörde vorgeschlagen, weil die Behörden in den Ländern die Umgebung, die Bürger und Unternehmen besser kennen.
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Ein Student, der Facebook wegen Datenschutz-Mängeln verklagt hat, könnte also seine Beschwerde in Deutschland einbringen und müsste nicht nach Dublin gehen, wo der Konzern seinen europäischen Sitz hat?
Die Pläne sehen vor, dass ein Deutscher sich an seine Datenschutz-Behörde wenden kann. Die arbeitet dann mit der Behörde jenes Landes, in der die Firma ihren Sitz hat, zusammen. Gemeinsam suchen sie nach einer Lösung. Falls der Betroffene nicht zufrieden ist, kann er ebenfalls in seinem Land vor Gericht ziehen.
Ein anderer Vorschlag von Ihnen wird ebenfalls im EU-Parlament diskutiert: die Einführung einer unverbindlichen Frauenquote von 40 Prozent bei börsennotierten Unternehmen. Welche Hürden sehen Sie?
Auch das liegt nun in den Händen der Gesetzgeber. Es wird wohl noch zu heftigen Diskussionen kommen. Das Parlament hätte sich vielleicht noch weiter reichende Vorgaben gewünscht. Unter den Mitgliedstaaten hingegen sind die Meinungen geteilt. Die einen unterstützen den Vorschlag, die anderen lehnen ihn ab, wieder andere liegen in der Mitte.
Drohen Betrieben Strafen, wenn sie die Quote verfehlen?
Nein, der Weg dorthin wird sanktioniert. Es ist keine starre Quote, sondern eine Verfahrens-Quote: Wenn die Unternehmen die 40-Prozent-Zielmarke nicht erfüllen, müssen sie in einem transparenten Verfahren bei gleicher Qualifikation der Bewerber dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang geben. Mein Slogan ist: Keine Frau wird Mitglied eines Aufsichtsrates, bloß weil sie eine Frau ist. Aber nur weil sie eine Frau ist, soll ihr umgekehrt auch nicht die Mitgliedschaft verwehrt bleiben.