Rom/Berlin. Das Patt nach den italienischen Wahlen macht eine Koalition nötig. Doch der linke Spitzenkandidat Bersani holt sich bei der populistischen Bewegung 5 Sterne von Beppe Grillo eine Abfuhr. Für Verstimmung sorgt eine Äußerung von SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück.
Nach dem knappen Wahlausgang in Italien steht der linke Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani in den Startlöchern für den Regierungsauftrag und denkt über Koalitionspartner nach. Bei einem ersten Annäherungsversuch an die populistische Protestbewegung 5 Sterne des Komikers Beppe Grillo holte er sich allerdings eine deftige Abfuhr. Die Anti-Establishment-Bewegung ist der eigentliche Wahlsieger, sie wurde auf Anhieb stärkste Partei im Abgeordnetenhaus.
Während Silvio Berlusconi eine große Koalition seines Mitte-Rechts-Bündnisses mit Bersani nicht ausschließt, war dieser zunächst auf Grillo zugegangen. Bersani will sich mit einem Programm dem Parlament stellen, das dem von Grillos Bewegung ähnelt. So fordert er eine saubere und moralische Politik sowie soziale Maßnahmen in der Krise. Im linken Lager gibt es einigen Widerstand gegen ein Zusammengehen mit dem umstrittenen Ex-Regierungschef Berlusconi.
Italien droht wegen Wahl-Chaos die Lähmung
Der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone droht wegen des Wahlausgangs die Lähmung. Die Ratingagentur Moody's erwägt, die Kreditwürdigkeit Italiens weiter herabzustufen. Das Patt zwischen den Bündnissen von Mitte-Links und Mitte-Rechts erhöhe die politische Ungewissheit, argumentiert Moody's. Der unter dem bisherigen Premier Mario Monti angestoßene Reformkurs könne verzögert werden, möglicherweise sogar komplett zum Stillstand kommen.
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Bersani will nach Angaben seiner Demokratischer Partei (PD) mit einem Paket von fünf bis sechs Vorschlägen ins Parlament gehen und dazu die Vertrauensfrage stellen. Priorität haben für ihn die Reform des Wahlgesetzes und eine Verringerung der Zahl der Parlamentarier. Die Linke hatte bei den Parlamentswahlen knapp gewonnen, im umkämpften Senat hat jedoch kein Lager eine Mehrheit.
Grillo wies Bersanis Annäherungsversuch strikt zurück. Der PD-Chef sei ein "politischer Stalker" und eine "sprechende Leiche". Bersani mache seiner Bewegung unanständige Angebote, twitterte Grillo. Seine Bewegung werde keiner Partei im Parlament das Vertrauen aussprechen und nur Gesetzen zustimmen, die ihr Programm respektierten. Bersanis Linke hatte im Wahlkampf lange klar geführt, dann allerdings Berlusconis Aufholjagd nichts entgegensetzen können.
Staatspräsident Giorgio Napolitano muss Regierungsauftrag erteilen
Die Zeit drängt. Es liegt an Staatspräsident Giorgio Napolitano, dessen siebenjährige Amtszeit Mitte Mai endet, nach Konsultationen einen Regierungsauftrag zu erteilen. Die italienischen Medien zitierten den Staatschef, der in diesen Tagen in Deutschland ist, am Mittwoch mit der optimistischen Aussage, die Situation sei kompliziert, man werde sie aber meistern.
Napolitano sagte ein für Mittwochabend geplantes Treffen mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ab. Als Grund gab Steinbrücks Sprecher umstrittene Äußerungen des SPD-Politikers zum Wahlausgang in Italien an. "Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben", hatte Steinbrück am Dienstagabend in Potsdam gesagt. Er spielte auf das Abschneiden Berlusconis und Grillos an.
Indessen wehrt sich die Bundesregierung gegen den Eindruck, der Ausgang der Wahl in Italien sei eine Abrechnung mit der deutschen Sparpolitik für Europa. Man halte "nichts von solchen monokausalen Erklärungen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. In Rom sei nun Verantwortungsbewusstsein gefragt, damit Italien in dieser schwierigen europäischen Zeit eine handlungsfähige Regierung bekomme. Am Donnerstag trifft Merkel in Berlin mit Napolitano zusammen.
Dem Schuldenland Italien blieb der befürchtete Rückschlag am Anleihemarkt vorerst erspart. Trotz drohenden politischen Stillstands konnte das Euro-Schwergewicht am Mittwoch wie geplant 6,5 Milliarden Euro bei Investoren einsammeln. Das geht aus Angaben der italienischen Schuldenagentur hervor. Die Versteigerung fünf- und zehnjähriger Papiere spülte das angepeilte Maximalvolumen in die Staatskasse. Die Zinsen zogen jedoch spürbar auf den höchsten Stand seit Oktober an. (dpa)