Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung für gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter weiter erschwert. Diese Maßnahme sei auch im Anschluss an eine Unterbringung der Straftäter in der Psychiatrie nur in Ausnahmefällen zulässig, entschied der Zweite Senat in einem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzbeschluss.

Die Karlsruher Richter haben betont, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung - längstens bis 31. Mai 2013 - nur noch unter engen Voraussetzungen ausgesprochen werden darf: Von dem Untergebrachten muss eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten drohen und er muss zugleich an einer psychischen Störung leiden.

"Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Betroffene zuvor in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war", erläuterte das Gericht anlässlich von zwei Fällen aus Hessen.

Denn hier finde nicht lediglich eine "Überweisung" von einer zeitlich nicht begrenzten freiheitsentziehenden Maßnahme in eine andere statt. Vielmehr sei die nachträgliche Sicherungsverwahrung ein "neuer, eigenständiger Grundrechtseingriff".

Sicherungsverwahrung durch Tatgericht angeordnet

Dies ergebe sich schon daraus, dass die Sicherungsverwahrung nur angeordnet werden könne, wenn zuvor die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für "erledigt" erklärt worden sei. In den beiden vorliegenden Fällen war dies 2007 geschehen, weil die jeweiligen Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Kassel und Marburg bei den beiden betroffenen Sexualstraftätern nicht mehr von einem krankhaften Zustand beziehungsweise einer Persönlichkeitsstörung ausgingen. Beide Männer waren jeweils wegen mehrerer sexuell motivierter Gewaltverbrechen verurteilt und schließlich in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden.

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Die nachträgliche Sicherungsverwahrung war dann im Anschluss an die psychiatrische Unterbringung durch das sogenannte Tatgericht angeordnet worden, das zuvor über die Straftaten der beiden Männer geurteilt hatte - das Landgericht Frankfurt am Main. Dieses schätzte den einen Straftäter trotz seines vordergründig angepassten Verhaltens" in der Psychiatrie weiterhin als "hochgefährlich" ein. Beim zweiten habe eine Gesamtwürdigung seiner Person, seiner Taten und seiner Entwicklung in der Psychiatrie ergeben, "dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen werde", meinte das Frankfurter Landgericht im Jahr 2008.

Grundrecht auf Freiheit verletzt

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 4. Mai 2011 sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung bis Mai 2013 gefordert hatte, nahmen beide Beschwerdeführer einen neuen Anlauf: Sie wollten zumindest erreichen, dass ihre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dies lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg jedoch Mitte 2011 ab, weil weiterhin die Gefahr schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten bestehe. Mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung werde außerdem lediglich eine unbefristete Maßregel durch eine andere ersetzt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bestätigte Ende 2011 diese Entscheidung in beiden Fällen. Aus Sicht des Verfassungsgerichts werden die beiden Männer dadurch aber in ihrem Grundrecht auf Freiheit verletzt. Das OLG muss nun neu über die Fortdauer der nachträglichen Sicherungsverwahrung entscheiden. (dapd)