Sprockhövel. Hitlers „Machtergreifung“ am 30. Januar vor 80 Jahren wirkte sich auch schnell in Sprockhövel aus. Stadtarchivarin Karin Hockamp schildert die damaligen Ereignisse.
Hitlers „Machtergreifung“ am 30. Januar vor 80 Jahren wirkte sich auch schnell in Sprockhövel aus. Stadtarchivarin Karin Hockamp schildert die damaligen Ereignisse.
Wie überall in Deutschland hatte auch in den ehemaligen Landgemeinden, die heute die Stadt Sprockhövel bilden, die politische Radikalisierung zugenommen. Immer weniger Menschen trauten den Vertretern der parlamentarischen Demokratie die Lösung der großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu. Arbeitslosigkeit, Not und Perspektivlosigkeit ließen viele Menschen verzweifeln und machten sie gewaltbereit.
Bei den Wahlen zum Reichstag im November 1932 erreichte die NSDAP 33,1 % der Stimmen im Amt Haßlinghausen (Gemeinden Haßlinghausen, Hiddinghausen I, Gennebreck und Linderhausen) und 33, 7 % im Amt Sprockhövel. In Haßlinghausen wurden die KPD mit 28,9 % und die SPD mit 23,8 % gewählt. In Sprockhövel (Gemeinden Nieder- und Obersprockhövel und Hiddinghausen II) wählten 43,2 % SPD und 9,2 % KPD. Eine nennenswerte bürgerliche Kraft zwischen den Arbeiterparteien und den Nationalsozialisten gab es nicht mehr.
Mit Kampfliedern zur Kirche
Im Raum Sprockhövel traf der Beginn der Kanzlerschaft Hitlers auf eine politische Landschaft, die mehrheitlich von den Arbeiterparteien SPD und KPD dominiert war.
In der Sprockhöveler Zeitung, die auch die Haßlinghauser Zeitung war, erschienen in den ersten Januartagen Berichte über Kundgebungen und Ausschreitungen in der Umgebung. Laut Sprockhövel-Haßlinghauser Zeitung zog am 31. Januar ein Demonstrationszug von KPD-Anhängern von Schwelm „unter Absingen von Kampfliedern und mit Sprechchören in Richtung Haßlinghausen-Kirche“. Die Leiter aller KPD-Ortsgruppen, soweit man ihrer habhaft werden konnte, wurden ab dem 28. Februar festgenommen. Das waren in Sprockhövel der Hauer Hugo Marx, Leiter der KPD-Ortsgruppe Sprockhövel, der Schlosser Walter Haumann aus Landringhausen und der Polier Josef Domjahn aus Schee.
Von zahlreichen bewaffneten Überfällen von Nazis auf Sozialdemokraten in Haßlinghausen berichtete auch die Familie des ehe-maligen Bürgermeisters Wilhelm Kraft, der seinen Widerstand gegen das NS-Regime mit dem Leben bezahlen sollte.
Sein Sohn Karl, wie sein Vater mehrfach wegen Widerstandes gegen das Hitler-Regime inhaftiert, war von 1959 bis 1969 Gemeindebürgermeister in Haßlinghausen. in Niedersprockhövel wurden am 26. April weitere Kommunisten verhaftet und in ein Lager verschleppt. Nach den Reichstagswahlen am 5. März 1933 waren innerhalb kürzester Zeit alle Gemeindevertretungen und Verwaltungen im Gebiet der heutigen Stadt Sprockhövel fest in der Hand der Hitler-Anhänger. Arbeitervereine wie der Sportclub Obersprockhövel, der Sportclub Viktoria, Turnvereine und Männergesangvereine wurden aufgelöst, ihr Vermögen und Eigentum beschlag-nahmt oder zerstört. Bis auf wenige Ausnahmen passten sich die Lehrer mehr oder weniger freiwillig den neuen Verhältnissen an. Andere Verbände wie Bauverein und Feuerwehr, die bürgerlichen Turn- und Sportvereine sowie die Presse wurden „gleichgeschaltet“: Linientreue Nationalsozialisten besetzten die Führungspositionen, wenn die alten Vorstände sich der neuen Politik nicht unterordnen wollten.