Essen. . Pünktlich zum 80. Jahrestag liefert die ARD einen Fernsehfilm zum Reichstagsbrand. Die biedere Liebesgeschichte um die beiden Hauptdarsteller Jan Josef Liefers und Anna Loos ist dabei weit weniger interessant, als der alltägliche Antisemitismus der Nazi-Zeit, den „Nacht über Berlin“ entlarvt.
Die Schergen der SA pöbeln sich durch den Nachtclub, auf den Straßen Berlins werden Unschuldige verprügelt, und dann geht der Reichstag in Flammen auf. Das meinen die doch nicht so, sagt die junge Frau zur Judenhetze der Nazis, und ihr naiver Blick auf das Ungeheuerliche trifft vermutlich die Stimmung vieler Deutscher in den frühen 30er-Jahren.
Wie sehr sie irrt – auch davon handelt das Fernsehdrama „Nacht über Berlin“ (ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr) zum 80. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers. Anna Loos und ihr Gatte Jan Josef Liefers geben einmal mehr ein Liebespaar, ohne dass davon indes der große Zauber ausginge – diesmal im Strudel der heraufziehenden politischen Katastrophe in den letzten Tagen der Weimarer Republik.
Menschliche Welten prallen aufeinander
Historisch finstere Zeiten mit einem Melodram zu verknüpfen, um das Angebot schmackhafter zu machen, gehört zu den Standards der Filmgeschichte. Wenn die ARD-Filmwerkstatt Degeto den Auftrag erteilt, ist man auf der Hut, weil es allzu süßlich werden könnte. Friedemann Fromm (Regie und Buch) und Rainer Berg (Buch) haben das allerdings ganz ordentlich in den Griff gekriegt. Und in Babelsberg gedreht, sieht die Produktion für deutsche Verhältnisse durchaus aufwendig aus.
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Zwei menschliche Welten lassen sie aufeinanderprallen: die Künstlerin Henny Dallgow, eine lebenshungrige Blondine aus gutem Hause mit Lederjacke und Motorrad, ehrgeizig und unpolitisch, und den jüdischen Arzt Albert Goldmann, der sich als SPD-Abgeordneter im Reichstag von den NSDAP-Schreihälsen niederbrüllen lassen muss. Für seinen linksradikalen Bruder (Franz Dinda), der vom Aufstand der Kommunisten träumt, spielt er schon mal den Kurier. Henny übernimmt derweil den Nachtclub „Ballhaus“ des Juden Matze Belzig (wunderbar schrill: Jürgen Tarrach), der, von bösen Vorahnungen getrieben, gerade noch rechtzeitig in die USA flüchtet.
Der Reiz von "Nacht über Berlin" liegt in politischen Momenten
Der Reiz, den „Nacht über Berlin“ entfaltet, liegt weiß Gott nicht in der etwas bieder konstruierten Liebesgeschichte zweier Gutmenschen, sondern in seinen politischen Momenten. Wenn Goldmann bei Hennys Familie am fein gedeckten Mittagstisch sitzt und im allerfreundlichsten Ton zu hören bekommt, dass man ihn ja hier großzügig duldet, dann ist der gesellschaftlich verankerte Antisemitismus in seiner schrecklichen Alltäglichkeit sofort greifbar.
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Mit einem Karrieristen (Sven Lehmann), der Hennys Schwester geheiratet hat, nachdem Henny ihn zurückgewiesen hatte, haben die Autoren einen kühlen Schurken als Goldmanns Gegenspieler eingebaut, der diesen Grundton perfekt verkörpert. Weniger elegant ist die holzschnittartige Zeichnung des jüdischen Lebens, das arg auf Klischees reduziert wird.
Die Debatte darüber, in wessen Auftrag der Reichstag angezündet wurde oder ob es doch nur ein Einzeltäter war, befeuern die Autoren nicht mit neuen Theorien: Dass der Zündler den Verbindungstunnel zu Görings Amtssitz genutzt haben könnte, legen die Bilder immerhin nahe. Goldmann will das Inferno verhindern – und so steuert der Film auf ein aktionsgeladenes Finale zu.