Washington. . Spar-Automatismus soll in allen Bereichen 85 Milliarden Dollar einbringen. Die Rasenmäher-Maßnahme ist Folge der Blockade zwischen Demokraten und Republikanern. Die Kürzungen sind beachtlich, neben öffentliche Aufgaben wie Gefängnisse, Schulen und Universitäten ist vor allem das Militär betroffen.
Die Kassandra-Rolle steht Ray LaHood besonders gut. Wie kein Zweiter kann der US-Verkehrsminister die Stirn in Falten legen, wenn schlechte Botschaften zu verkünden sind. Mit Blick auf den kommenden Freitag jagte der ehemalige Republikaner den Amerikanern jetzt einen gehörigen Schrecken ein. Auf über 100 Flughäfen werde der Betrieb voraussichtlich langfristig gestört, weil der Staat Hunderte Fluglotsen aus den Towern werde abziehen müssen.
Es ist eine von vielen Begleitererscheinungen der jüngsten Folge aus dem Dauer-Streit um den maroden Staatshaushalt. Ab 1. März stehen Kürzungen von 85 Milliarden Dollar an. Auftakt zu einer Spar-Orgie, die binnen eines Jahrzehnts für Minderausgaben von gut 1500 Milliarden Dollar sorgen soll. Das unter dem Etikett „Sequester“ (Beschlagnahme) laufende Programm kann nach Meinung von Ökonomen die Konjunktur abwürgen und die Arbeitslosenquote nach oben treiben – Beeinträchtigungen für die Weltwirtschaft nicht ausgeschlossen.
Bizarr dabei: Die Lage ist hausgemacht. Sie wirft ein Schlaglicht auf das unverändert von Blockade und Unversöhnlichkeit geprägte Verhältnis zwischen Demokraten und Republikanern. Die Politik hat sich den Sequester selber eingebrockt. Um sich unter Entscheidungsdruck zu setzen, wurde im Sommer 2011 im Kongress ein Spar-Programm verabschiedet.
Kürzungen querbeet
Die „Damoklesschwert“-Idee sollte den Kompromiss erzwingen. Sprich: eine Balance zwischen Ausgabenkürzungen vor allem im Sozialbereich (Forderung der Republikaner) und moderaten Mehreinnahmen aus Steuererhöhungen für Reiche (Lieblingsprojekt von Präsident Obama und der Demokraten). Für den Fall der Nichteinigung hatten die Parteien einen Automatismus eingebaut – Kürzungen querbeet.
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Dass sie ab 1. März greifen, daran besteht in Washington kein Zweifel mehr. Anders als beim letzten Showdown, als sich die Streithähne in der Silvesternacht auf einen Aufschub einigten, der am 1. März ausläuft, deutet diesmal nichts auf eine Lösung hin. Regelmäßigen Appellen Obamas, zur Vernunft zu kommen, begegnen die nach der Wahlniederlage weiter orientierungslosen und rauflustigen Republikaner sinngemäß mit dem Konter: Du mich auch.
Liste der Grausamkeiten
Die Liste der Grausamkeiten ist lang. Abgesehen von den Renten und der staatlichen Krankenversicherung für Alte und Arme muss jeder öffentliche Bereich bluten. In den staatlichen Gefängnissen stünden 1300 Wärter vor der Entlassung. Die amtlichen Wetterfrösche und Ozeanographen wären mit 2700 Stellen dabei. Schulen und Universitäten müssten Personal in fünfstelliger Höhe abbauen; Nationalparks und die für die Lebensmittelkontrolle zuständige Food and Drug Administration (FDA) inklusive.
Am stärksten betroffen wäre das Militär, wo allein in diesem Jahr rund 42 Milliarden Dollar gekürzt würden und rund 800 000 Zivilangestellte spätestens ab April mit Zwangsurlaub und 20 Prozent weniger Lohn in der Tasche zu rechnen haben.
Die einzelnen Spar-Vorgaben sind beachtlich: Grenz- und Einwanderungskontrollen (minus 580 Millionen), Flughafensicherheit (-320 Millionen), Förderung von Lernbehinderten (- 840 Millionen), Bundespolizei FBI (-830 Millionen), öffentlicher Wohnungsbau (-1,9 Milliarden). Stephen Fuller, Ökonom an der Georg Mason Universität, kalkuliert mittelfristig mit dem Verlust von zwei Millionen Arbeitsplätzen und einem Rückgang des Bruttosozialproduktes von über zwei Prozent. Andere Experten halten das für übertrieben. Bei dem Sparpaket von 85 Milliarden Dollar handele es sich um nur um 2,4 Prozent des US-Gesamthaushaltes von 3600 Milliarden.
Bevölkerung ignoriert den Streit
In der Bevölkerung hat der zum Grundrauschen der amerikanischen Innenpolitik gehörende Konflikt bereits Abnutzungseffekte erzeugt. Nach einer landesweiten Umfrage des Pew-Instituts haben 70 Prozent der Amerikaner von der „Sequester“-Debatte bisher keine Notiz genommen. Verkehrsminister Ray LaHood ist sich sicher: „Wenn die ersten Flüge ausfallen, wird sich das ändern.“