Essen.. Mehr als drei Millionen Menschen in NRW wohnen solo. Vor allem junge Leute wählen dieses Lebensmodell.Aber auch die beruflich geforderte Flexibilität ist eine Ursache für die wachsende Zahl an Einpersonen-Haushalten. Der Wohnungsamarkt aber in Großstädten ist darauf kaum eingestellt. Hohe Mieten für kleine Wohnungen sind die Folge.
Eva Hieber liebt Gemüse. Es gibt Kartoffeln zum Abendessen, drei, vier Knollen landen im Topf. Dazu eine Möhre, gewürfelt – eine Portion für eine Person. Die 23-Jährige kocht heute nur für sich, sie wohnt allein: 36 Quadratmeter, kleine Küchenzeile, Wohn- und Schlafzimmer im Dachgeschoss eines alten Zechenhauses in Bochum-Mitte. Als Studentin ist sie vor drei Jahren aus der elterlichen Wohnung hierhin gezogen, jetzt arbeitet sie im Medienbereich.
Die Wohnsituation der jungen Frau entspricht ganz einem Trend: 3,348 Millionen Menschen in NRW waren nach Angaben des Statistischen Landesamts 2011 alleinlebend, so das Ergebnis des letzten Mikrozensus. Die Gemeinschaft der Solisten wächst: 2005 noch lebten nur 2,936 Millionen in NRW ohne Mitbewohner.
„Ich mach halt gern mein eigenes Ding“
In Großstädten ist die Quote der Single-Haushalte besonders hoch, vor allem immer mehr junge Menschen wohnen allein. Auch die Wohngemeinschaft, früher Studenten-Domäne, hat offenbar ausgedient. Beispiel Bochum: 26.000 Revierstädter zwischen 18 und 35 Jahren waren im Erhebungsjahr alleinlebend – 2005 waren es noch 21 000. Einen der neuen 5000 Single-Haushalte führt Eva Hieber. Und auch für sie sei eine WG nie in Frage gekommen, erzählt sie. Sie treffe sich zwar oft und gern mit Freunden, aber: „Ich mach halt gern mein eigenes Ding.“ Die meisten in ihrem Bekanntenkreis hielten es ebenso.
Lieber das eigene Ding machen – das neue Lebensgefühl einer Gesellschaft? Soziologe Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung spricht von einer „Pluralisierung der Lebensformen“. Allein zu leben sei nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit, stellt er klar: „Klassische Wohnformen verlieren nur an Bedeutung.“ Ein Grund dafür sei steigender Wohlstand. „Die ökonomische Funktion der Ehe, die früher vor allem für Frauen galt, verschwindet“, erklärt der Experte. Und: Nicht alle Alleinlebenden sind ohne Partner, sondern wohnen nur getrennt von ihm.
„Living apart together“
„Living apart together“, kurz LAT, nennen Soziologen diese Form des Zusammenlebens, bei der man nicht zusammen lebt. So ist es bei Kathrin und Holger, die ihre echten Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen. Die 30-Jährige ist vor einigen Wochen aus beruflichen Gründen nach Dortmund gezogen, ihr Freund ist samt Hund in Siegen geblieben, wo die beiden neun Jahre zusammen gewohnt haben. „Anders ging es nicht“, sagt sie.
182 000 Verheiratete wohnen in NRW getrennt vom Ehepartner. Natürlich leben viele von ihnen nicht mehr zusammen, weil die Ehe vor der Scheidung steht, genaue Zahlen gibt es darüber nicht. Doch die Menge an Paaren, die durch beruflich geforderte Flexibilität voneinander getrennt leben, steige, sagt Kröhnert.
Die Mietpreise steigen
Ein Trend, der auch die Mietpreise in die Höhe schießen lässt. Denn die Nachfrage nach Apartments und kleinen bis mittelgroßen Zweizimmerwohnungen ist vor allem in den Städten riesig, das Angebot indes klein. Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund sieht darin auch ein Versäumnis der Wohnungspolitik: „Man ist jahrelang immer von den absoluten Einwohnerzahlen ausgegangen, wenn es um die Frage nach nötigem Wohnraum ging. Doch man hätte die einzelnen Haushalte betrachten müssen.“ Deren Zahl steige durch die „Versingelung“, wie Ropertz sagt.
Indes: Ein Solo-Wohnen für immer, das sei eher die Ausnahme, sagt Soziologe Kröhnert. „Die Phasen zwischen einzelnen Beziehungen werden einfach länger.“ Eva Hieber genießt ihre Single-Portion Gemüse, mag die Freiheit des Alleinwohnens, wie sie sagt. Und doch: „Das muss nicht ewig so sein. Vielleicht ziehe ich ja auch doch mal in eine Wohngemeinschaft oder so.“