Düsseldorf. Die Forderungen wegen Urheberrechts-Verletzungen im Internet werden immer dreister. Sogar das Filmchen vom Kita-Fest kann teuer werden, wenn es mit geschützter Musik unterlegt ist. Die NRW-Landesregierung spricht sich für eine Deckelung der Summen aus.

Wenn das NRW-Justizministerium den seit Monaten tobenden Streit ums Urheberrecht im Internet veranschaulichen will, landet man schnell im Kindergarten. Und zwar im Wortsinn. Es seien bereits Eltern von findigen Anwälten mit Abmahnschreiben traktiert worden, bloß weil sie ein Video vom Kita-Fest ihrer Kleinen mit Musik im Hintergrund ins Netz gestellt hätten, berichtet ein Sprecher von Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Damit soll nun Schluss sein.

Galt das illegale Herunterladen von Filmen, Fotos, Texten und Musik lange als Kavaliersdelikt, schlägt die Branche inzwischen mithilfe spezialisierter Anwaltskanzleien energisch zurück. Nach Angaben des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gab es allein 2011 rund 220 000 Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen. Die Betroffenen zahlten im Durchschnitt 800 Euro. Die geltend gemachten Gesamtforderungen beliefen sich auf stolze 165 Millionen Euro.

Kein Freifahrtschein für Piraterie

NRW macht seit Monaten mobil gegen angeblich unseriöse Anwaltskanzleien, die aus dem Schutz des Urheberrechts ein Geschäftsmodell entwickelt hätten. Mit Standardschreiben und einem abstrus hoch angesetzten Streitwert würden unbescholtene Eltern eingeschüchtert, deren Kinder per Mausklick das falsche Lied heruntergeladen hätten. Selbst Erinnerungsfilmchen vom letzten Konzert oder private Schnappschüsse würden kriminalisiert. Die rot-grüne Landesregierung wird deshalb bei der Bundesratssitzung am 1. März einen Entschließungsantrag einbringen, um die Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung zu zwingen. „Die Bundesregierung schafft durch ihre Untätigkeit regelrecht ein Biotop für Abmahnwahnsinn in Deutschland“, sagte Kutschaty.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte zwar eingeräumt, dass es beim Vorgehen gegen Raubkopierer zu „Überziehungen“ gekommen sei, ein angekündigter Gesetzentwurf gegen die sogenannte Abmahnabzocke lässt jedoch auf sich warten. Eine für den 6. Februar in Aussicht gestellte Befassung des Bundeskabinetts mit dem Thema fand nicht statt. „Leider müssen wir die Bundesregierung zum Handeln treiben“, klagte Kutschaty.

Auswüchse bei Abmahnkosten eindämmen

Das Justizministerium muss immer wieder darauf hinweisen, dass es keinen Freifahrtschein für Piraterie zu Lasten von Autoren, Musikern und Künstlern auszustellen gedenkt. Der Schutz des geistigen Eigentums und die Auskunftsrechte für Lizenzinhaber, die Raubkopierer so schnell ausfindig machen können, würden nicht angetastet, versichert ein Ministeriumssprecher. Vielmehr gehe es darum, Auswüchse bei den Abmahnkosten zu beschneiden. Anwälte sollen privaten Internetnutzern, die zum ersten Mal eine Urheberrechtsverletzung begehen, für eine Abmahnung nur noch maximal 80 statt 800 Euro in Rechnung stellen dürfen, fordert Kutschaty. In der Bundesregierung wurde zuletzt eine Deckelung bei 155 Euro diskutiert. Wer in gewerblichem Ausmaß Urheberrechte verletzt, soll weiterhin hohe Summen zahlen müssen.

Tempo kommt in die Angelegenheit aber wohl erst mit der Bundesratssitzung am 1. März. Entscheidender Hebel im Kampf gegen unseriöse Abmahnungen im Internet ist die Festsetzung des Streitwerts eines Films, Lieds oder Textes. Anwälte können zurzeit bei einem Musiktitel, der normalerweise für einen Euro in Netz zu kaufen ist, von einem Streitwert von bis zu 10 000 Euro ausgehen. Kutschaty hält das für überzogen und fordert eine Deckelung bei 500 Euro. Dies entspräche dem wirtschaftlichen Wert eines Musikstücks eher. Da der legale Kauf noch immer deutlich günstiger sei, werde das Urheberrecht durch seine Initiative nicht ausgehöhlt.