Rom. . 9000 Gläubige feiern den scheidenden Papst bei seiner Generalaudienz im Vatikan. Bei seinem ersten Auftritt nach Verkündigung seines Rücktritts wirkt Benedikt erleichtert wie lange nicht mehr. Er lächelt und winkt ins Publikum. Der 85-Jährige bittet seine Anhänger: „Betet für mich.“
Es ist Aschermittwoch, aber in der großen Audienzhalle des Vatikans herrscht Volksfeststimmung. Eine Blaskapelle aus dem Allgäu ist aufgefahren. In Erwartung des Papstes unterhält sie die 9000 Besucher im Saal mit Marschmusik, und bei „Mein Heimatland“, wo das große „Heidi-Heido-Heida“ anfängt, da klatschen und jubeln alle mit: Deutsche und Brasilianer, Spanier, Kroaten, Franzosen, Slowaken, sogar der kühle englische Gospel-Chor, der ein paar der vorderen Reihen besetzt hat.
Diese Generalaudienz ist eine besondere. Sie ist die erste nach Benedikts Rücktrittsankündigung. Und dann kommt er, zwanzig Minuten zu spät zwar, aber ohne Stock oder fahrbaren Untersatz. Er betritt die weit geschwungene Betonhalle, breitet seine Arme aus, während das Publikum ihn mit „Be-ne-detto“-Rufen zu seinem Sessel geleitet, dann hebt er nochmal die Arme, ganz weit hoch, so wie Joseph Ratzinger das von seinem ersten Augenblick als Papst getan hat. Und er lächelt.
Benedikt wirkt wie erlöst
Wer seine ersten Auftritte gesehen hat im April vor acht Jahren, der fühlt sich erinnert an jene Tage. Benedikts Schüchternheit ist geblieben, aber einen müden, erschöpften Eindruck macht er nicht. Eher gelöst, wie erlöst, wirkt er, entspannt, und auch wenn seine dünne Stimme etwas krächzt – das tut sie fast immer –, sie kommt unerwartet fest und stark ‘rüber, als er anhebt: „Liebe Brüder und Schwestern! Wie ihr wisst, habe ich mich entschlossen...“ – und dann geht vor rauschendem Beifall erst einmal gar nichts mehr.
„Ich habe mich zum Amtsverzicht entschlossen in völliger Freiheit, für das Wohl der Kirche.“ Gänzlich unbewegt liest Benedikt XVI. das von seinem Manuskript ab, als würde es ihn überhaupt nicht betreffen: „Der Schwere dieses Akts bin ich mir bewusst, genauso bin ich mir aber auch bewusst, dass meine Kraft für die Anforderungen des Petrusamts nicht mehr ausreicht.“ Er habe, fährt der Papst fort, „in diesen für mich nicht leichten Tagen geradezu körperlich die Kraft des Gebets und der Liebe gespürt“, welche ihm die Gläubigen entgegengebracht hätten. Und: „Betet für mich, den künftigen Papst und die Kirche.“
„Einfach nur Wahnsinn“
Als erneut Applaus aufbrandet, dankt Benedikt spontan „für eure Sympathie“, winkt fröhlich ins Publikum, und dann – kaum zwei Minuten hat seine Erklärung gedauert – geht er zur achtmal längeren Predigt des Tages über: Er spricht von dem Menschen, der in sich selbst geschlossen ist und sein Ziel verfehlt, wenn er sich Gott nicht öffnet.
Nach einer guten Stunde setzt die Ruderatshofener Blaskapelle mit dem „Deutschmeister-Regimentsmarsch“ ihre Stimmungskanone wieder in Gang – und im Publikum findet es eine kleine Regensburger Reisegruppe „einfach nur Wahnsinn: den Papst, und dass er das genau während unseren Rom-Ferien gemacht hat. Einmalig!“ Und für den Rücktritt, für den bekunden sie ihm „allen Respekt“: „Diese Bescheidenheit! Das hätt’ kein anderer z’sammbracht. Man kann’s ihm vergönnen, dass er jetzt sei’ Ruah hat.“
Um 17 Uhr kommt der Hubschrauber
Noch hat Benedikt sie nicht, seine Ruhe, auch wenn er sich zumindest den Aschermittwoch erleichtert hat: Die abendliche Liturgie mit Bußprozession hat er vom traditionellen Aventinhügel ins Innere des Petersdoms verlegt. Heute, wie jedes Jahr zu Beginn der Fastenzeit, spricht er vor den Priestern „seiner“ Diözese Rom.
Die Abschiedsaudienz am 27. Februar wird wohl eher ein großer diplomatisch-zeremonieller Bahnhof als eine bescheidene Predigtstunde. Doch am 28. Februar um 17 Uhr, so hat es Pressesprecher Federico Lombardi gestern angekündigt, fliegt der Hubschrauber. Vom Vatikan nach Castel Gandolfo. Dann ist das Pontifikat des Sechzehnten Benedikt Geschichte.