Essen. . Knigge-Chef Hans-Michael Klein hält Brüderles Äußerung einer Journalistin gegenüber für komplett daneben. Im Miteinander sei „Anbaggern“ zwar nicht verboten, doch komme es auf die richtige Form an.
FDP-Rainer Brüderle soll einer Journalistin gegenüber bei einem Partei-Treffen anzüglich geworden sein. „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich berichtet, er habe nach einem Blick auf ihren Busen gesagt, „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“ – und damit eine große Diskussion losgetreten. Darf man das als Politiker? Wo sind die Grenzen? Britta Bingmann sprach darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Knigge-Gesellschaft, Hans-Michael Klein.
Eine junge Frau in der Öffentlichkeit anzubaggern: Gehört sich das – oder geht das gar nicht?
Hans-Michael Klein: Es ist ein heikles Thema. Es scheint ja zur Zeit schwer in Mode, sich über Sexismus im Business zu beklagen. Dass Frauen sich über etwas beschweren, was sie jahrhundertelang ertragen haben, ist ja auch legitim – solange es nicht in Hysterie ausartet. Aber man darf bei all dem nicht vergessen: Zunächst mal geht es um das ewige Spiel von Mann und Frau, um Eros und Sexualität.
Und das hat seine Berechtigung?
Hans-Michael Klein: Sicher. Schließlich geht es darum, dass wir uns fortpflanzen. Deshalb ist es wichtig, dass man nicht die Sexualität an sich verteufelt. Denn die gehört zum Leben dazu – wie Hundeköttel auf der Wiese. Und es muss auch Möglichkeiten geben, jemanden anzusprechen, sonst bleibt man ewig Junggeselle. Also: Anbaggern an sich ist legitim. Es kommt aber auf die richtige Form an.
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Was ist denn die richtige Form?
Hans-Michael Klein: Es kommt darauf an, dass man den anderen nicht düpiert, dass ich nicht lästig werde. Und natürlich auf das Drumherum: In einer Bar kann die Ansprache eine andere sein als im Büro, und beim Oktoberfest wäre nach ein paar Maß Bier auch der Dirndl-Vergleich okay. Einer Journalistin gegenüber aber ist er plump, geil und ekelhaft.
Mal konkret: Was wäre denn etwa im Büro als Anmache angemessen? Welches Kompliment, welcher Satz?
Hans-Michael Klein: Ach, da gibt es nicht den einen Satz. Das ist immer eine Strategie, ein langsames Heranpirschen. Beide müssen sich dabei immer aus der Affäre ziehen können, ohne dass es zu Konflikten kommt. Ich könnte mir etwa ein Buch leihen und anbieten, es nächste Woche bei einem Bier in der Kneipe wieder zurückzugeben. Da haben beide Seiten die Möglichkeit zum Rückzug ohne Gesichtsverlust.
Und ein Chef? Darf der auch baggern, oder ist das tabu?
Hans-Michael Klein: Sicher darf er, baggern im Büro ist nicht verboten. Aber er darf natürlich keinen Druck ausüben, seine Position nicht ausnutzen.
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Gelten für Politiker noch andere, strengere Regeln?
Hans-Michael Klein: Von Politikern erwartet man vor allem Einfühlungsvermögen. Bei wem komme ich an, bei wem nicht? Das hat Brüderle in diesem Fall nicht beachtet. Die Empathie scheint bei ihm unterentwickelt zu sein, deshalb ist er übers Ziel hinausgeschossen.
Ist das nicht vielleicht viel mehr eine Frage seiner Position als mächtiger Polit-Promi?
Hans-Michael Klein: Das kann durchaus sein. Viele Chefs beherzigen den leider falschen Grundsatz: ,Beherrsche die Knigge-Regeln so lange, bis du oben angekommen bist. Dann musst du alles schnell vergessen – sonst bleibst du nicht Chef.’ Andererseits darf man nicht vergessen: Es ist ja kein Zufall, dass Redaktionen superattraktive Journalistinnen zu den Politikern schicken.
Das heißt...
Hans-Michael Klein: ...das hat Methode. Da gibt es ja genügend Beispiele, von Willy Brandt bis Gerhard Schröder. Es ist ja bekannt, dass die Sugar-Daddys auf die jungen Damen fliegen. Sex sells. Und da ist es unehrlich, sich hinterher moralisch aufzuplustern.