Hamburg. Deutschen in Libyen droht offenbar eine konkrete Bedrohung durch Al-Kaida. Einem Medienbericht zufolge hat das Terrornetzwerk konkrete Entführungspläne. In den vergangenen Tagen hatten mehrere westliche Regierungen ihre Staatsangehörigen aufgerufen, die Stadt Bengasi zu verlassen.
Die Terrorgruppe Al-Kaida plant laut einem Bericht des "Spiegel" offenbar die Entführung von Deutschen in Libyen. Das Blatt beruft sich in seiner Vorabmeldung vom Sonntag auf Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND). Demnach bereiten Al-Kaida und andere militante Gruppen in der Region um die libysche Hafenstadt Bengasi gezielt Überfälle auf Deutsche sowie Briten vor.
Laut BND sollen Kaida-Kämpfer nach dem spektakulären Überfall auf das algerische Gasfeld Ain Amenas nach Libyen gegangen sein, um dort neue Anschläge durchzuführen.
Staaten fordern Ausländer auf, Bengasi zu verlassen
Das Auswärtige Amt hatte am Freitag seinen Appell an die Deutschen in Libyen bekräftigt, die Region um Bengasi sofort zu verlassen. Eine konkrete Bedrohung westlicher Staatsbürger sei Grund für diese "regional begrenzte Terrorwarnung", hatte ein Außenamtssprecher in Berlin gesagt.
Vier Monate nach dem Terroranschlag auf das US-Konsulat in Bengasi hatten in den vergangenen Tagen mehrere Staaten ihre Bürger aufgefordert, die libysche Stadt zu verlassen. Die Regierung in Tripolis hält das zwar für übertrieben. Doch auch viele Libyer fühlen sich in der östlichen Hafenstadt nicht sicher.
Unabhängige Medien meldeten am Freitag, das Al-Dschalaa-Krankenhaus in Bengasi sei geschlossen worden, nachdem Milizionäre in der Nacht einen Patienten im Operationssaal erschossen hatten. Nach unbestätigten Angaben sollen die Mörder der Ansar-al-Scharia-Miliz angehören.
Westerwelle sieht in Bengasi eine "ernste und delikate Lage"
Die Berichte über die Bedrohung westlicher Staatsbürger entbehrten jeder Grundlage, sagte ein Vertreter des Innenministeriums der staatlichen Nachrichtenagentur Lana. Die Sicherheitslage in Bengasi sei stabil.
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Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach hingegen bei einem Besuch in Lissabon von einer "ernsten und delikaten Lage". Die Warnung sei aufgrund von "verschiedenen Hinweisen" erfolgt. Konkreter wurde Westerwelle nicht. Das Auswärtige Amt geht von nur wenigen Deutschen in Bengasi aus, konnte aber keine genaue Zahl nennen.
Am Donnerstagnachmittag hatte zuerst das britische Außenminister zum Verlassen Bengasis und der umliegenden Küstenregion aufgerufen. "Wir sind über eine spezifische und unmittelbare Bedrohung für westliche Staatsbürger in Bengasi informiert", hieß es. Nur wenig später meldete das Auswärtige Amt im Internet eine "unmittelbare konkrete Bedrohung westlicher Staatsangehöriger in Bengasi". Später folgten Warnungen aus den Niederlanden, Kanada und Australien.
Mehrere Tote bei Anschlag im vergangenen September
In der mit knapp 700.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Libyens waren bei einem Terroranschlag auf das US-Konsulat am 11. September vergangenen Jahres Botschafter Christopher Stevens und drei weitere US-Bürger getötet worden.
Am Sonntag vor zwei Wochen entging der italienische Konsul Guido De Sanctis in Bengasi einem Anschlag. Unbekannte feuerten an einer Kreuzung auf seinen Wagen. Dank der Panzerung des Autos blieb er unverletzt.
Vor einer Woche wurden bei einem Geiseldrama im Nachbarland Algerien rund 70 Menschen getötet. Der Angriff islamistischer Kämpfer auf eine Gasförderanlage in der algerischen Wüste war eine Reaktion auf die französische Intervention im westafrikanischen Mali.
Aufforderung, die Region zu verlassen, ist äußerst ungewöhnlich
Seitdem ist die ganze Region in Alarmbereitschaft. Für Libyen hatte das Auswärtige Amt bereits vor dem aktuellen Hinweis eine Reisewarnung ausgegeben. "Die Lage im ganzen Land ist weiterhin unübersichtlich. Bewaffnete Auseinandersetzungen finden vereinzelt weiterhin statt und sind jederzeit möglich", heißt es darin. Die jetzige konkrete Warnung vor einer Bedrohung mit der dringenden Aufforderung, die Region zu verlassen, ist aber äußerst ungewöhnlich.
Das britische Außenministerium warnte auch vor Reisen in andere Städte der Küstenregion wie beispielsweise Misrata. Air Malta strich nach der britischen Warnung einen Flug nach Bengasi.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte am Mittwoch wegen der angespannten Sicherheitslage in Nordafrika eine Reise nach Algerien und Libyen abgesagt. (dapd/dpa)