Kairo. . Seit dem Arabischen Frühling haben sich radikale Islamisten in den Ländern Nordafrikas etabliert. In der Grauzone zwischen Algerien, Libyen, Mali, Tschad, Sudan und Niger treiben sie ihr Unwesen. Die Weite der Wüste macht sie nahezu unkontrollierbar.

Tunesiens Präsident Moncef Marzouki sparte nicht mit scharfen Worten. Sein Land sei zu einem „Korridor“ für Waffenlieferungen an islamistische Extremisten in Mali geworden. Gotteskrieger aus Tunesien stünden in enger Verbindung zu „terroristischen Kräften“ in der Region. Für „das Hornissennest Mali“ allerdings hätte er sich lieber eine politische als eine militärische Lösung gewünscht, erklärte Marzouki und äußerte die Sorge, der Konflikt könne die Stabilität des nordafrikanischen Mittelmeerraumes in Mitleidenschaft ziehen.

Mit der Geiselnahme in der Gasförderanlage Tigantourine nahe der Ortschaft In Amenas, die im algerisch-libyschen Grenzgebiet liegt, haben die nordafrikanischen El Kaida-Kämpfer den französischen Feldzug in Mali bereits nach einer Woche von einem regionalen in ein globales Problem verwandelt, das jetzt von den USA über Japan bis Europa die Regierungszentralen beschäftigt.

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Bald schon könnten weitere Attentate folgen, die sich gezielt gegen Öl- oder Gasförderanlagen, westliche Fachleute oder Touristen in Algerien, Libyen und Tunesien richten – eine Eskalation, die auch andere Staaten militärisch in den Mali-Konflikt hineinziehen würde. Das blutige Ende des Geiseldramas gestern zeigt, dass die Islamisten dabei zum Äußersten bereit sind und auch den eigenen Tod nicht fürchten.

3000 Fanatiker in Tunesien

Seit dem Arabischen Frühling haben sich in allen Ländern Nordafrikas radikale Gruppen etabliert, bestens bewaffnet aus den Arsenalen des libyschen Bürgerkriegs und zu allem entschlossen. Tunesien verhängte zwischenzeitlich sogar den Ausnahmezustand, weil es dem Treiben der islamistischen Radikalen nicht mehr Herr wird. Die Zahl der Fanatiker schätzt man in Tunis auf rund 3000, auch wenn der harte Kern deutlich kleiner ist.

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Libyen wiederum erwägt nach dem jüngsten Mordanschlag auf den italienischen Konsul für die Stadt Bengasi eine nächtliche Ausgangssperre sowie weitere „drakonische Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit“, wie Premierminister Ali Zeidan ankündigte. Zwar hatten Bengasis Bürger die radikalen Gotteskrieger im letzten Herbst nach dem Mord an US-Botschafter Christopher Stevens mit einer Großdemonstration aus dem Stadtbild vertrieben. Eine Zeit lang waren die Kämpfer abgetaucht. Nun halten sie die Küstenstadt mit einer Serie von Attentaten auf hohe Polizeioffiziere in Atem.

Grenzen sind faktisch unkontrollierbar

Vor drei Wochen schloss Libyen alle Grenzübergänge mit Algerien, Niger, dem Tschad und Sudan und erklärte den gesamten Süden des Landes zum militärischen Sperrgebiet. An den Realitäten vor Ort ändert das wenig, denn die langen Grenzen im Wüstengebiet sind faktisch unkontrollierbar.

In Algerien operiert seit Jahren „El Kaida aus dem Islamischen Maghreb”, deren Unterschlüpfe sich vor allem in schwer zugänglichen Gebirgsregionen der Kabylei befinden. Die Zahl der Kämpfer wird auf einige Hundert geschätzt. In den letzten beiden Jahren zielten ihre Attentate ausschließlich auf Angehörige der Armee oder Polizisten an Straßensperren. Kürzlich spalteten sich zwei Brigaden von El Kaida-Kämpfern ab, die in der Sahara im Süden operieren.

„Der Einäugige“

Anführer der rund 200 bis 300 gut bewaffneten Extremisten ist Mokhtar Bel-Mokhtar – offenbar auch der Kopf der Kidnapper von In Amenas. Der Algerier, der den Beinamen „Der Einäugige“ trägt, war bis vor Kurzem eine hohe Führungsperson von El Kaida im Islamischen Maghreb. Zu seiner Absetzung sollen offenbar seine zahlreichen illegalen Nebenaktivitäten als Schmuggler geführt haben. Aus Sicht von El Kaida sei er dadurch „vom rechten Pfad“ abgekommen. Seine Kenntnis der Wüste und seine Verbindungen zu Stammesverbänden und örtlichen Terror-Gruppen helfen ihm dabei, in der Grauzone zwischen Südalgerien, Mali, Tschad, Niger und Mauretanien sein Unwesen zu treiben. (mit afp)