Tel Aviv/Jerusalem. Israel steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Premier Netanjahu hat bereits erste Sondierungen aufgenommen - Ausgang offen. Königsmacher Lapid pocht auf eine Fortsetzung der Gespräche mit den Palästinensern. Im rechten Lager, das nach vorläufigem Endergebnis eine hauchdünne Mehrheit von einem Sitz hat, regt sich Widerstand dagegen.
Zwei Tage nach der Parlamentswahl hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Donnerstag erste informelle Kontakte mit möglichen Koalitionspartnern aufgenommen. Er traf sich in Jerusalem zweieinhalb Stunden lang mit Jair Lapid, dessen liberale Zukunftspartei mit 19 Mandaten überraschend zweitstärkste Kraft im Parlament geworden war. Zudem telefonierte Netanjahu mit dem Chef der ultrarechten Siedlerpartei Das Jüdische Haus, Naftali Bennet.
Das zentrale Wahlkommission bestätigte indes, dass das Lager aus rechten und religiösen Parteien nach Auszählung aller Stimmen eine hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Mandate erzielt hat. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der vorgezogenen Parlamentswahl am Dienstag stellt Das Jüdische Haus von Bennett zwölf statt elf Abgeordnete. Im Gegenzug verloren die drei arabischen Parteien ein Mandat. Sie kommen auf elf Abgeordnete. Nach der Wahl mussten noch die Stimmen von Soldaten, Diplomaten und Häftlingen ausgezählt werden.
Netanjahus Likud-Beitenu mit 31 Sitzen stärkste Kraft
Stärkste Kraft im Parlament ist jetzt Netanjahus Wahlbündnis Likud-Beitenu mit 31 Sitzen. Der 63-Jährige dürfte deshalb mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Allerdings muss Staatspräsident Schimon Peres nach israelischem Recht zuvor mit Vertretern aller im Parlament vertretenen Parteien sprechen. Erst danach können offizielle Koalitionsverhandlungen beginnen.
Der frühere TV-Journalist Lapid erzielte mit seiner Zukunftspartei (Jesch Atid) 19 Mandate und gilt damit als Schlüsselfigur bei den Koalitionsgesprächen. Zu den Inhalten der Sondierungsgespräche Netanjahus gab es am Abend keine Angaben. Lapid war der erste Parteiführer, den Netanjahu nach der Wahl zu direkten politischen Gespräche traf.
Der frühere Außenminister Avigdor Lieberman sagte, die neue Regierung müsse sich mehr auf innenpolitische Themen konzentrieren als auf den Friedensprozess mit den Palästinensern, wo es zwischen den möglichen Koalitionspartnern tiefgreifende Differenzen gibt.
Lapid will Friedensverhandlungen mit den Palästinensern fortsetzen
Der neue starke Mann der politischen Mitte, Lapid, nannte Friedensverhandlungen mit den Palästinensern als eine Bedingung für eine Regierungsbeteiligung. Lapid lehnte auch den Bau von neuen israelischen Siedlungen ab. Allerdings gibt es im rechten Likud-Beitenu-Block großen Widerstand gegen Konzessionen an die Palästinenser, wie die Tageszeitung "Jediot Achronot" berichtete.
Bei anderen Themen bewegte sich Netanjahu bereits deutlich auf mögliche Koalitionäre wie Lapids Zukunftspartei zu. Die Sicherheit Israels behalte zwar höchste Priorität, aber seine neue Regierung werde sich verstärkt um soziale Themen kümmern, sagte der Regierungschef. Als Beispiele nannte Netanjahu die Senkung der Mieten und eine allgemeine Wehrpflicht. Dazu komme eine Reform des Wahlrechts: "Wir werden uns bei den Gesprächen über eine Regierungsbildung auf diese drei Themen konzentrieren."
USA mahnen zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses
Die USA mahnten Israel wie die Palästinenser erneut zur Wiederaufnahme des seit September 2010 auf Eis liegenden Friedensprozesses. Die Palästinenser wollen jedoch die Verhandlungen erst fortsetzen, wenn Israel einen Baustopp für alle Siedlungen im Westjordanland sowie in Ostjerusalem erlässt. Die Palästinenser reklamieren den von Israel annektierten arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates.
Netanjahu weigerte sich erneut, einen Baustopp in Siedlungen zu erklären. Auch die Nummer Zwei bei Likud-Beitenu, Lieberman, schloss einen Siedlungsstopp aus. Die ultrarechte Siedlerpartei Das Jüdische Haus von Politneuling Bennet will große Teile des Westjordanlandes annektieren. (dpa)