Jerusalem. . Die größten Erfolge bei der Israel-Wahl haben die Politneulinge erzielt: Der frühere Fernsehjournalist Jair Lapid kam bei der Parlamentswahl in Israel mit 19 Sitzen auf Platz zwei, der ultrarechte Selfmade-Millionär Naftali Bennett landete auf Platz vier. Ihr Rezept: Sie sprachen eine unzufriedene Mittelschicht an.
Yair Lapid sollte es gewöhnt sein, Wahlen zu gewinnen. Schließlich wurde der bekannte Fernsehnachrichtenmoderator wiederholt zum „attraktivsten Mann Israels“ gekürt. Lapid trägt sein grau meliertes Haar stets perfekt frisiert. Selbst am Wahltag verzichtete der durchtrainierte Hobbyboxer am Morgen nicht auf seine Karatestunde, nach der er stets in Maßanzügen auftritt. Zweifellos, Lapid bringt einen neuen Schick in die israelische Politik.
Aber der 49-Jährige traf mehr als nur den Geschmack von 500 000 unentschlossenen Wählern: Er hatte ein Gespür für das, was die Bevölkerung im Jahr 2013 wirklich beschäftigt.
Keine Außenpolitik
Auf der Webseite seiner Partei Yesch Atid („Es gibt eine Zukunft“) findet sich keine Stellungnahme zu außenpolitischen Themen. Sie interessierten die meisten Wähler einfach nicht. Wie schon sein Vater Tommy Lapid, der ihm die Karriere von Top-Journalist zu Spitzenpolitiker vormachte, will Yair sich um Israels gebeutelten, säkularen Mittelstand kümmern: „Das, was die religiösen Parteien für die Ultra-Orthodoxen herausholen, will ich für den Mittelstand erkämpfen, der in der Armee dient, die Steuern zahlt, und den Staat auf seinen Schultern trägt“, versprach er immer wieder.
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Und so befasst sich das Wahlprogramm auf seiner Webseite nur mit fünf Punkten: Eine Regierungsreform, wie eine Beschränkung der Zahl der Minister auf maximal 18; eine Bildungsreform; staatliche Programme zur Senkung der Wohnungspreise, Erleichterungen für mittelständische Unternehmen und die Wehrpflicht für alle Staatsbürger, um die Last gerechter zu verteilen – also genau die Forderungen, die Demonstranten vor anderthalb Jahren in sozialen Protesten aufstellten.
Geld für Orthodoxe und Siedler kürzen
Es waren Reden wie diese, die Lapid zu seinem Erfolg verhalfen: „Die alte Politik und die alten Politiker wollen die Steuern für den Mittelstand erhöhen, statt den Etat für Ultra-Orthodoxe oder der Siedler zu kürzen. Das ist genau der Grund, warum Yesh Atid gegründet wurde.“ Kaum ein Wort über den Friedensprozess, über den Iran oder andere regionale Bedrohungen. Dennoch bedauert er Israels zunehmende internationale Isolation und gelobt, nur Teil der Regierung zu werden, wenn sie Verhandlungen mit den Palästinensern aufnimmt.
Naftali Bennett könnte anders nicht sein. Im Gegensatz zum durchtrainierten Lapid, spannen sich die Hemden über dem gemütlichen Bauch des 40-Jährigen. Anders als Lapid hat Bennett eine glasklare Außenpolitik: Nein zu einem Palästinenserstaat, und zum Teufel mit dem Rest der Welt: „Ich bin nicht die UNO, will nicht objektiv sein“, sagt der Lieblingskandidat der Siedler: „Ich bin für Israel.“
Schwierige Partner
Schon bald könnten die beiden Wahlsieger am Regierungstisch neben Netanjahu sitzen. In manchen Fragen, wie der Kürzung des Verteidigungsetats oder der Wehrpflicht für alle, sind sie einer Meinung und könnten Israel einen historischen Wandel bescheren. Doch an der Außenpolitik scheiden sich ihre Geister. Friedensverhandlungen werden einer der wichtigsten Prüfsteine von Israels nächster Koalition werden: Finden sie statt, geht Bennett, bleiben sie aus, geht Lapid. Beide sind überzeugt, dass sie dann als Israels übernächster Premier zur Wahl antreten werden.