Berlin. Kurz vor dem Dreikönigstreffen debattieren die Liberalen munter weiter darüber, wann sie ihren Vorsitzenden demontieren sollen. Politik- und Parteienforscher warnen allerdings: Die FDP habe ein grundsätzliches Akzeptanzproblem, das nicht mit einem Personalwechsel zu lösen sei. Es fehle an Inhalten und Themen.

Beim traditionellen Dreikönigstreffen soll FDP-Chef Philipp Rösler unter Beweis stellen, dass er die Partei in eine politische Zukunft führen kann. Seine innerparteilichen Kritiker würden ihn lieber heute als morgen - nach der Niedersachsenwahl - absägen. Allerdings haben die Liberalen nach Ansicht führender Politikforscher ein grundsätzliches Akzeptanzproblem, das nicht mit einem neuerlichen Führungswechsel zu lösen ist.

So betonte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, Richard Hilmer: "Es genügt nicht, nur die Personen auszuwechseln, man muss auch die Politik verändern." Die FDP habe "bislang dieser Bundesregierung kaum ihren Stempel aufdrücken können", bemängelte Hilmer. Auch Fraktionschef Rainer Brüderle habe es nicht geschafft, die Handschrift der FDP in der Regierung deutlich zu machen. Brüderle, den die Basis laut Umfragen als neuen Vorsitzenden favorisiert, stehe eher für die "alten Erfolge" der Liberalen. Sollte es einen Wechsel an der Spitze geben, müsse der mit neuen programmatischen Ausrichtungen verbunden werden, findet Hilmer.

Die Partei ist das Problem, nicht ihr Chef

Der Duisburger Politikwissenschaftler Korte bezweifelt, dass es Rösler gelingt, seinen Vertrauensverfall durch die Rede am Sonntag umzukehren. Jedoch wäre auch ein anderer Spitzenkandidat für die FDP noch keine Erfolgsgarantie, sagte Korte. Das Problem sei die Partei, nicht der Chef. Es fehle ein konkretes Thema, für das die FDP stehe.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt schlug in dieselbe Kerbe. Die FDP könnte durchaus gebraucht werden als eine ordnungspolitisch klar argumentierende Partei. Die Liberalen müssten aber ihren Ordoliberalismus ergänzen um eine Nähe zum Bürger. Und sie müsste sich klarer zur Finanzkrise und zur Regulierung der Finanzmärkte positionieren. An beiden Baustellen habe die FDP bisher keine Maßnahmen erkennen lassen.

Patzelt bezeichnete Rösler als "eine Ente mit ziemlich gelähmten Flügeln". Der Parteichef bade noch immer die strategischen Fehler seines Vorgängers Guido Westerwelle aus. Rösler sei eine "redliche Haut, ein fleißiger Mann". Es fehle ihm aber an Ausstrahlung und rhetorischem Talent. "Wenn die Wahlergebnisse in Niedersachsen nicht stimmen, werden seine Tage an der FDP-Spitze gezählt sein", meint Patzelt.

Schützenhilfe für Rösler aus der Union

Die Schwäche der FDP ist nach den Worten von Hilmer auch für die Union ein Problem. In Niedersachsen könne es wegen der schwächelnden Liberalen sogar zu einem Wechsel kommen, obwohl es dort gar keine Wechselstimmung gebe.

Unterdessen bekommt Rösler Schützenhilfe aus der Union. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) riet der FDP "dringend, sich mit ihren Themen zu beschäftigen und nicht mit Personal". "Die FDP hat schon einmal gedacht, dass ein Personalwechsel alle Probleme löst. Das hat sich als Irrtum herausgestellt", spielte Aigner auf den Sturz von Westerwelle als Parteichef im Jahr 2011 an. Über ihren Kabinettskollegen sagte Aigner: "Ich mag und schätze Philipp Rösler als Menschen sehr." Ein Parteivorsitz sei eine Herkulesaufgabe. "Ich denke, wir alle sollten unseren Umgang mit Politikern überdenken" mahnte sie.

Der rheinland-pfälzische FDP-Chef Volker Wissing forderte kurz vor dem Dreikönigstreffen ein Ende der Personaldebatte in seiner Partei. "Wir müssen endlich aufhören, uns mit uns selbst zu beschäftigen und uns auf unsere Inhalte konzentrieren", sagte Wissing.

Ein frommer Wunsch: Auch kurz vor dem Dreikönigstreffen am Sonntag geht die Debatte um Rösler munter weiter. Präsidiumsmitglied Wolfgang Gerhard etwa riet dem Parteichef, sich selbst zu hinterfragen - eine verbrämte Rücktrittsforderung: "Politik erfordert von jedem, sich immer wieder zu überprüfen, ob man seine Aufgaben noch schafft." Erneut forderte der frühere FDP-Chef, den für Mai geplanten Parteitag vorzuziehen, und zwar auf einen Termin gleich nach der Wahl in Niedersachsen am 20. Januar. Der Termin im Mai sei zu spät, "darüber muss sich das Präsidium unverzüglich Gedanken machen", sagte Gerhard.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP sagte dem "Focus", die Landtagswahl in Niedersachsen sei eine "wichtige Wegmarke" für Röslers Schicksal. Gleich danach müsse die Partei entscheiden, "mit welchem Team, Vorsitzenden und Spitzenkandidaten" sie in die Bundestagswahl ziehen wolle. (dapd/afp)