Kairo. . Während der Volksabstimmung für eine neue Islam-orientierte Verfassung in Ägypten ist am Samstag Vizepräsident Mahmud Mekki vom Amt zurückgetreten. Ägyptens Präsident Mursi hatte Mekki erst vor wenigen Monaten zu seinem Stellvertreter ernannt.

Der ägyptische Vizepräsident Mahmud Mekki tritt zurück. Die politische Arbeit passe nicht zu seiner Ausbildung als Richter, erklärte Mekki am Samstag. Präsident Mohammed Mursi hatte den angesehenen Richter im August zu seinem Stellvertreter ernannt. Am Samstag fand in Ägypten die entscheidende Runde des Referendums über die umstrittene Verfassung statt.

Der 58-jährige Mekki hatte vor der Präsidentenwahl im Juni Rufe nach einer eigenen Kandidatur abgelehnt und erklärt, er wolle politisch unabhängig bleiben. Unter dem langjährigen Staatschef Husni Mubarak, der im Februar 2011 gestürzt worden war, gab es keinen Vizepräsidenten. Der Posten wurde erst unter dem aus der islamistischen Muslimbruderschaft hervorgegangenen Staatschef Mursi geschaffen.

Unterdessen lief am Samstag in Ägypten der zweite und letzte Teil des Verfassungsreferendums. Die Wahllokale wurden kurzfristig um vier weitere Stunden geöffnet. Das gab die Wahlkommission nach Angaben des Staatsfernsehens am Samstagnachmittag bekannt. Grund sei der große Andrang bei der Stimmabgabe. Statt um 19 Uhr Ortszeit (18 Uhr MEZ) sollen die Wahllokale in 17 Provinzen erst um 23 Uhr schließen. In zehn der 27 ägyptischen Provinzen war bereits vor einer Woche abgestimmt worden. Auch damals waren die Öffnungszeiten verlängert worden. Insgesamt sind rund 51 Millionen Ägypter wahlberechtigt.

Unterdessen melden Aktivisten, dass es auch bei der zweiten Runde des Verfassungsreferendums zu Unregelmäßigkeiten beim Ablauf gekommen sein soll. Einige Wahllokale hätten später als vorgesehen geöffnet, zudem hätten Islamisten versucht, wartende Wähler zu beeinflussen, berichteten Aktivisten und Anhänger der Opposition am Samstag. Unabhängigen Wahlbeobachtern sei der Zugang zu Wahllokalen verweigert worden, hieß es weiter. Bei der Volksabstimmung entscheiden die Ägypter über den von den Islamisten ausgearbeiteten Verfassungsentwurf, der das Land tief gespalten hat.

Bürger in 17 Provinzen sind zur Abstimmung aufgerufen

Vor einer Woche war zunächst in zehn der 27 Provinzen über den Entwurf für das neue Grundgesetz abgestimmt worden. Nun entscheiden die Bürger in den übrigen 17 Provinzen über den Text. Zur Stimmabgabe aufgerufen sind 25 Millionen Bürger. Schon bei der Abstimmung in der vergangenen Woche hatte die Wahlkommission die Öffnung der Wahllokale aber kurzfristig um vier Stunden bis 23.00 Uhr verlängert.

Bei der ersten Runde hatte sich eine Mehrheit für den Entwurf abgezeichnet, der durch eine von den Islamisten dominierte Versammlung ausgearbeitet worden war. Nach Angaben aus Behördenkreisen zufolge stimmten knapp 57 Prozent für das Vorhaben. Dieser Vorsprung ließ bereits vermuten, dass der Verfassungsentwurf auf nationaler Ebene ausreichend Zustimmung finden wird.

Abgestimmt wird nun unter anderem in den Städten entlang des Suez-Kanals, in der Touristenstadt Luxor und in Gizeh. Die Aufteilung des Votums in zwei Wahlrunden und verschiedene Landesteile hing mit der Weigerung zahlreicher Richter zusammen, den Urnengang zu beaufsichtigen. Sie hatten Präsident Mohammed Mursi vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Justiz zu beeinträchtigen.

Opposition befürchtet Ausbreitung des Islamismus

Die liberale und linke Opposition kritisiert, dass die vielfach vagen Bestimmungen des Verfassungstextes die Bürgerrechte nicht ausreichend garantieren und einer weiteren Islamisierung der Gesetzgebung den Weg bereiten. Mursi und seine Anhänger der Muslimbruderschaft wollen erreichen, dass mit der Verabschiedung die Übergangsphase seit dem Sturz des langjährigen Staatschef Husni Mubarak im Februar 2011 beendet wird.

Bei Protesten von Gegnern des Verfassungsentwurfs gab es wiederholt gewaltsame Auseinandersetzungen, bei denen Anfang Dezember acht Menschen getötet wurden. Am Freitag wurden bei neuen Zusammenstößen in Alexandria mehr als 30 Menschen verletzt. Die Polizei setzte Tränengas ein. Für die Volksabstimmung wurden 120. 000 Soldaten mobilisiert, die weitere rund 130.000 Polizisten unterstützen sollen.

Sollte der Verfassungsentwurf eine Mehrheit finden, sollen binnen zwei Monaten Parlamentswahlen stattfinden, um die im Juni aufgelöste Volksvertretung zu ersetzen. Beobachtern zufolge dürfte die Verabschiedung der neuen Verfassung der politischen Krise und Instabilität im Land jedoch kein Ende bereiten, da die zwei Lager zu tief gespalten sind hinsichtlich ihrer Vision der ägyptischen Gesellschaft nach Mubarak. Der ägyptische Friedensnobelpreisträger und Oppositionspolitiker Mohammed ElBaradei warnte in einer Videobotschaft, das Land stehe "am Rande des Zusammenbruchs". (dpa/afp/dapd)