Ägyptens Präsident Mursi hebt Verfassungsdekret auf
•
Lesezeit: 3 Minuten
Kairo. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat nach gewaltsamen Protesten das umstrittene Verfassungsdekret aufgehoben, mit dem er seine Machtbefugnisse deutlich ausgeweitet hatte. Die Opposition berät, wie sie mit Mursis Entscheidung umgehen soll. Die Volksabstimmung darüber ist nämlich weiterhin geplant.
Angesichts gewaltsamer Proteste will Ägyptens Präsident
Mohammed Mursi auf seine erst Ende November eingerichteten umstrittenen
Vollmachten verzichten. "Das Verfassungsdekret ist ab sofort aufgehoben", sagte
der islamistische Politiker Selim al Aua am Samstagabend in Kairo nach einem
Treffen Mursis mit mehreren politischen Führern. Das für den 15. Dezember
angekündigte Referendum über den Verfassungsentwurf soll demnach aber wie
geplant abgehalten werden. Der Präsident gab zunächst keine Stellungnahme ab.
Zuvor hatte sich das Militär erstmals in die politische Krise eingeschaltet und
ein Machtwort gesprochen.
Mursi hatte seine Kritiker am Samstag zu einem Dialog eingeladen, das
Treffen wurde aber von den wichtigsten Oppositionsführern boykottiert. Die
Mehrheit der insgesamt 54 Teilnehmer waren Islamisten und Mitglieder der
Kommission, die den Verfassungsentwurf ausgearbeitet hatte, über den am
kommenden Samstag abgestimmt werden soll. Das Treffen dauerte zehn Stunden.
Opposition ruft zu neuen Protesten auf
Al Aua sagte im Anschluss, die Gesprächsteilnehmer hätten Mursi
empfohlen, Regelungen aufzuheben, die ihn vor juristischer Aufsicht schützen,
aber an dem Datum für die Volksabstimmung festzuhalten. Sollte der
Verfassungsentwurf scheitern, muss Mursi demnach binnen drei Monaten die Wahl
eines neuen Komitees zur Ausarbeitung einer Verfassung ausrufen.
Der Fernsehsender Al Dschasira berichtete auf seiner Internetseite,
die Entscheidung sei ein großer Schritt. Dennoch bleibe abzuwarten, wie die
Opposition reagieren werde, denn damit sei nur ein Teil ihrer Forderungen
erfüllt. Mursis Gegner wollen auch, dass das Referendum abgesagt wird.
Oppositionelle hielten nach der Ankündigung einen Sitzstreik vor dem
Präsidentenpalast in Kairo ab und riefen zu neuen Demonstrationen am
Sonntag auf.
Mehrere Menschen starben bei Protesten gegen das Dekret
Der Menschenrechtsanwalt Gamal Eid sagte, Mursis Schachzug, das
umstrittene Dekret zurückzuziehen, sei lediglich ein Wortspiel. Im Grunde habe
der Präsident alles erreicht was er wollte: Der Verfassungsentwurf sei fertig
und vor juristischen Eingriffen geschützt. Der Text sieht eine starke
Verankerung des islamischen Rechts vor.
Das am 22. November verabschiedete Dekret hatte in den vergangenen
zwei Wochen zu massiven Protesten in Ägypten geführt, bei denen mehrere Menschen
ums Leben gekommen waren. Am Samstag hatte sich das mächtige Militär
eingeschaltet und vor "verheerenden Konsequenzen" gewarnt, sollte die politische
Krise nicht beigelegt werden. Ein ernsthafter Dialog sei der "beste und einzige
Weg", um den Streit über die neue Verfassung und Mursis jüngste Dekrete zu
beenden. Alles andere würde Ägypten "in einen dunklen Tunnel mit verheerenden
Konsequenzen stürzen". Das sei etwas, "das wir nicht zulassen werden", erklärte
das Militär. Damit bezogen die Streitkräfte erstmals Position in dem immer
erbitterter geführten Streit zwischen Anhängern und Gegnern von Mursi. (dapd)
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.