Düsseldorf/Berlin. . Die Universität Düsseldorf prüft die Doktorarbeit von Wissenschaftsministerin Annette Schavan weiter. An 60 Textstellen ihrer 351 Seiten langen Arbeit soll Schavan unkorrekt zitiert haben. In Berlin kursieren erste Planspiele für den Fall ihres Rücktritts.
Sie schweigt. Die Selbstdisziplin von Annette Schavan wird hart auf die Probe gestellt. Überrascht, ja schockiert wurde in der Bundesregierung die Nachricht aus Düsseldorf aufgenommen: Die Promotionskommission der Heinrich-Heine-Universität hatte empfohlen, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels der Bildungsministerin zu eröffnen. „Entweder handelt es sich um ein Plagiat oder nicht, dazwischen gibt es nichts“, erklärte gestern ein Sprecher der Universität. Eine Rüge oder etwa eine Herabstufung von Schavans Note „magna cum laude“ auf „cum laude“ oder „rite“ ist demnach nicht vorgesehen.
In der Bundesregierung hatte man mit der Zuspitzung schon nicht mehr gerechnet, im Gegenteil. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) läuft Gefahr, mitten im Wahljahr ihr Kabinett umbilden zu müssen. Merkel drängt ihre Ministerin nicht aus dem Amt. So lange Schavan die Nerven behält, ist jeder weitere Monat ein Zeitgewinn; insbesondere die wenigen Wochen bis zur Wahl in Niedersachsen am 20. Januar.
Übernimmt der Staatssekretär?
Ein Neuanfang im Bildungsministerium macht politisch keinen Sinn: Im September wird eine neue Regierung gewählt, der Bundestag tagt planmäßig zum letzten Mal am 28. Juni. Man kann so gut wie nichts gestalten. Für eine Übergangszeit könnte Merkel das Ressort entweder selbst führen oder einem anderen Minister anvertrauen. Der einfachste Weg wäre es, dem parlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) die Verantwortung zu übertragen.
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Der Faktor Zeit ist entscheidend. Keiner geht davon aus, dass die Ministerin zurücktritt, sollte der Fakultätsrat am 22. Januar 2013 das Verfahren einleiten. Der Schritt wäre allerdings dann unvermeidlich, wenn die Hochschule zum Ergebnis käme, dass Schavan bei ihrer Doktorarbeit absichtlich getäuscht hat.
Bei Silvana Koch-Mehrin (FDP) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ging alles ungleich schneller, die politischen Konsequenzen wie die Reaktionen ihrer Hochschulen. Beim früheren Verteidigungsminister brauchte die Universität Bayreuth drei Monate. Zwei Monate benötigte die Hochschule Heidelberg, um der liberalen Europapolitikerin den Titel abzuerkennen.
„Leitende Täuschungsabsicht“
Schavans Fall ist komplizierter. Es liegt bereits ein Gutachten vor, das die Ministerin belastet, aber es ist gut möglich, dass der Fakultätsrat am 22. Januar ein Zweitgutachten einfordert, überdies Schavan und ihren früheren Doktorvater vorlädt. Darüber würden weitere Monate vergehen. Bei Guttenberg hatte Merkel erklärt, sie habe ihn als Minister bestellt, „nicht als wissenschaftlichen Assistenten“. So würde sie sich nicht mehr verhalten, und das, obwohl ihre Wertschätzung für Schavan größer ist. Die Fallhöhe ist bei beiden Ministern hoch, beim CSU-Mann politisch, bei Schavan persönlich. Die Vorwürfe träfen sie „im Kern von dem, was mir wichtig ist“, sagt sie einmal.
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In dem entscheidenden Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät sind Professoren, Mitarbeiter und Studenten vertreten. Zu prüfen hätten sie Schavans Dissertation von 1980. An 60 Textstellen ihrer 351 Seiten langen Arbeit soll die Ministerin unkorrekt zitiert haben.
Eine vernichtende Vorlage hatte Dekan Bruno Bleckmann bereits vom Promotionsausschuss bekommen. Dessen Vorsitzender, der Judaistik-Professor Stefan Rohrbacher, hatte in einer Stellungnahme eine „leitende Täuschungsabsicht“ und das „charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“ attestiert. Dies war im Oktober an die Öffentlichkeit gelangt. In Düsseldorf wird nicht erwartet, dass der Fakultätsrat, dem Rohrbacher ebenfalls angehört, zu einer völlig anderen Einschätzung gelangen wird.