Düsseldorf. . Die NRW-CDU beschäftigt sich derzeit hauptsächlich mit sich selbst - und den Rivalitäten in ihrer Doppelspitze Laumann-Laschet. Das widerspricht zwar allen Lehren, die aus der Wahlniederlage vom Mai gezogen wurden – passt aber zur Geschichte einer Partei, in der das Gegeneinander eine lange Tradition hat.

Für den Stellvertreter Angela Merkels ist die Abstellkammer reserviert. Armin Laschet, Vorsitzender der NRW-CDU und soeben mit einem Vizeposten neben der Kanzlerin im Parteipräsidium bedacht, will in den kommenden Wochen ein Büro in der Düsseldorfer Wasserstraße 5 beziehen. Erdgeschoss, rechter Hand, hinter Milchglastüren. Noch lagern dort ausrangierte Wandtafeln und Plakate der Mittelstandsvereinigung und Frauenunion. Nur hier in dieser Gründerzeitvilla, dem Dienstsitz verschiedener CDU-Gliederungen, fand sich nach Angaben einer Parteisprecherin noch ein Plätzchen für den Chef.

Für Laschets Vorgänger stellte sich die Raumfrage ja nie. Norbert Röttgen war zugleich Bundesumweltminister und ohnehin selten da, Jürgen Rüttgers stand der Landtagsfraktion vor und schaute später als Ministerpräsident aus der gläsernen Staatskanzlei hinab, Norbert Blüm hatte seinen Stammplatz im Bonner Kabinett. Laschet aber ist nur Vorsitzender der NRW-CDU und einfacher Landtagsabgeordneter. Es ist ein Grund, warum der größte Landesverband der Kanzlerinnen-Partei zurzeit mal wieder lustvoll intrigiert und zugleich an sich selbst leidet.

Die Lehren wurden benannt, dann wurden sie vergessen

Nach der Katastrophe vom 13. Mai 2012 sollte eigentlich alles anders werden. Die NRW-CDU war soeben bei der Landtagswahl mit 26,3 Prozent gedemütigt worden. Drei Ursachen für den beispiellosen Absturz wurden schnell ausgemacht. Erstens: Spitzenkandidat Röttgen wollte den Landesverband bloß als Treibsatz für eigene Karriereambitionen in Berlin nutzen, was die Wähler nicht akzeptierten. Zweitens: Die NRW-CDU braucht wieder eine Stimme, die Tag für Tag im Land für das Land spricht. Drittens: Seit der Spätphase der Regierungszeit Rüttgers 2010 haben zu viele interne Grabenkämpfe die inhaltliche Erneuerung überlagert. Ein halbes Jahr nach dem historischen Trauma scheinen alle drei Lehren bereits wieder vergessen.

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An der Spitze der NRW-CDU belauern sich Landeschef Laschet und Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann. Beide waren bis 2010 Landesminister unter Rüttgers. Laschet, 51-jähriger Jurist und Journalist, ist als Aachener ein rheinisches Gemüt, der gerne Pfeife rauchend über gekonnten Formulierungen brütet. Der 55-jährige Laumann ist ein kerniger Westfale, Chef der Sozialflügels CDA, Typ ehrliche Haut. Keiner von beiden hatte die Kraft, nach Röttgens Abgang beide Ämter an sich zu reißen. Nun sind sie in eine Doppelspitze gezwungen und verstehen sich nur offiziell prächtig.

Laschet gilt als „Bayer Leverkusen der Landespolitik“

Man muss in der Landtagskantine nicht lange suchen, um jemanden zu finden, der etwas Gehässiges über den jeweils anderen sagt. Da wird Laschet schon mal als „Schlagzeilenpolitiker“ und „Bayer Leverkusen der Landespolitik“ belächelt, weil er schon so oft um Spitzenämter konkurrierte und meist nur Zweiter wurde. Laumann hingegen, ein überzeugter Sozialpolitiker und gelernter Maschinenschlosser mit gelegentlich eigenwilliger Grammatik, wird als „Flügelmann“ abgetan. „Wir sind es leid. Die beiden müssen sich zusammenraufen“, schimpft ein erfahrener CDU-Landtagsabgeordneter.

In den vergangenen Wochen trieb die Selbstbeschäftigung wieder seltsame Blüten. Zunächst wurde darüber diskutiert, ob Laschet im Landtag dem FDP-Frontmann Christian Lindner begeisterter applaudiert habe als seinem eigenen Fraktionschef Laumann. Ausladende Jubelgesten oder nur normaler Höflichkeitsapplaus? Das ist das Niveau.

Laumann zählte Laschet-Fotos

Wenig später wurde ein Wutanfall Laumanns publik, der in einer CDU-Mitgliederzeitung mindestens siebenmal so viele Fotos von Laschet gezählt haben will wie von sich selbst.

Und pünktlich zur Wahl Laschets ins CDU-Präsidium am vergangenen Dienstag fand eine monatliche Aufwandsentschädigung von 5363 Euro den Weg in die Zeitung, die Laschet sich im Juni für seinen ehrenamtlichen Job an der Spitze der NRW-Union genehmigen ließ. Statt über Gesetze der Landesregierung wie Kommunalfinanzen, Landeshaushalt oder Rauchverbot debattiert die Union über ihre „Lex Laschet“. Schlimmer war es nur in der Schlussphase der Regierungszeit Rüttgers, als ganze Schubladen vertraulicher E-Mails an die Öffentlichkeit lanciert wurden.

„Sie müssen jeden Tag kollegial zusammenarbeiten“

An der Parteibasis wächst der Unmut. Zwar wird anerkannt, dass Laschets neuer Generalsekretär Bodo Löttgen, ein ruhiger Kriminalbeamter und ehemaliger Bodyguard von Bundesminister Gerhard Stoltenberg, emsig die Kreisverbände bereist und bis zur Kommunalwahl 2014 eine Art Grundsatzprogramm der NRW-CDU erarbeiten will. Doch das Zusammenspiel von Partei- und Landtagsfraktion passt vielen nicht. „Laschet und Laumann müssen endlich von einer gemeinsamen Morgenlage an jeden Tag kollegial zusammenarbeiten“, fordert einer.

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Doch das Gegeneinander hat Tradition in der erst 1987 nach der Fusion der Verbände Rheinland und Westfalen-Lippe gegründeten NRW-CDU. Rheinland gegen Westfalen, Stadt gegen Provinz, Bund gegen Land, Jeder gegen Jeden. Kurt Biedenkopf, Bernhard Worms, Norbert Blüm, Jürgen Rüttgers – viele haben sich mit unterschiedlichem Erfolg an den Düsseldorfer Verhältnissen abgearbeitet.

Der Historiker schrieb die Geschichte einer Selbstbeschäftigung

Der Historiker Guido Hitze hat den eigenwilligen Landesverband zehn Jahre lang durchleuchtet, Zeitzeugen befragt, Nachlässe gesichtet und ein 3500 Seiten starkes Werk mit dem Titel „Verlorene Jahre“ geschrieben. Seine Analyse: Die SPD musste die Union in ihrem Stammland auch deshalb selten fürchten, weil diese sich „hauptsächlich mit der Pflege und Austragung interner Konflikte befasste“. Ministerpräsident Johannes Rau habe es 20 Jahre lang bestens verstanden, sich als landesväterliches Gegenbild des oppositionellen Klein-Klein zu inszenieren. Die mit rekordverdächtigen Beliebtheitswerten ausgestattete Hannelore Kraft scheint auf gleicher Spur.

Wirklich witzig waren die Kabale eigentlich nur einmal in den 1980er Jahren, als die Junge Union (JU) das ständige Gegeneinander von Worms und Biedenkopf in dem Comic „Bernie und Johnny“ aufspießte. Worms als pfiffiger Bernhardiner Bernie trieb damals seine Späße mit dem eitlen Gockel Johnny alias Biedenkopf. Herausgeber des Machwerks: Der damalige JU-Chef Jürgen Rüttgers.