Düsseldorf. . Vor dem Demografie-Gipfel der Bundesregierung am Donnerstag hat CDU-Landeschef Armin Laschet eine stärkere Zuwanderung gefordert. Besonders groß sei der Demografiedruck in NRW. Laschet sprach sich dafür aus, jährlich 100.000 qualifizierte Zuwanderer nach Deutschland anzuwerben.
Am Donnerstag findet der Demografiegipfel bei Kanzlerin Merkel statt. Brauchen wir mehr Zuwanderung, um die Sozialsysteme zu retten?
Armin Laschet: So einfach ist das nicht. Derzeit haben wir 13 Millionen Menschen zwischen 45 und 54 Jahren, aber nur 7 Millionen zwischen 5 und 14. Das heißt: Wir können es uns nicht leisten, dass noch immer jedes 10. Kind ohne Schulanschluss direkt in die Hartz IV-Systeme fällt. Bildungspolitik muss jedem Kind eine Chance geben. Aber selbst dann fehlen in der älter werdenden Gesellschaft fünf Millionen Menschen, weil mehr Menschen in den Ruhestand gehen und immer weniger im Beruf stehen. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt den Bedarf in Deutschland auf 100 000 qualifizierte Zuwanderer pro Jahr. Diese Einschätzung teile ich.
Die Demografie überfordert die Sozialsysteme?
Laschet: Neben der qualifizierten Zuwanderung brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Rente mit 67 und mehr Chancen für über 55-Jährige. Nur so können wir auf Dauer den Fachkräftebedarf decken. Alle Potenziale müssen wir endlich nutzen.
Der Demografiedruck in NRW ist besonders groß?
Laschet: Im Industrieland Nordrhein-Westfalen liegt der demografische Wandel sieben Jahre vor der Entwicklung des ganzen Bundesgebietes. Wir haben in manchen Städten einen Rückgang von bis zu zehn Prozent der Einwohner.
Gezielte Zuwanderung über ein Punktesystem
2060 werden statt 80 Millionen nur noch 61 Millionen Menschen in Deutschland leben. Halten das die Systeme aus?
Laschet: Die Zahl ist nicht das Problem, sondern das Ungleichgewicht zwischen arbeitenden und nicht mehr arbeitenden Menschen. Deshalb ist es ein Fehler, wenn manche in der SPD die Rente mit 67 zurückdrehen will.
Wie wollen Sie qualifizierte Zuwanderer locken?
Laschet: Ich könnte mir eine gesteuerte Zuwanderung über ein Punktesystem vorstellen. Heute können Zuwanderer von außerhalb Europas nur zu uns kommen, wenn sie einen Arbeitsvertrag vorlegen. Besser wäre es, aktiv qualifizierte Zuwanderer nach strengen Kriterien zu gewinnen. Zurzeit kommen zahlreiche Fachkräfte aus den Krisenländern wie Griechenland und Spanien nach Deutschland. Das ist aber ein reines Krisenphänomen. Wenn es dort wieder besser läuft, hört das auf und unsere Probleme verschärfen sich.
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An unseren Hochschulen studieren Tausende Ausländer. Warum halten wir nicht mehr hier?
Laschet: Das wäre sicher sinnvoll. Diese Akademiker sprechen deutsch, kennen das Land, die Kultur und Wirtschaft. Gleichzeitig müssten aber auch unsere Botschaften, Auslandshandelskammern und Goetheinstitute mehr für den deutschen Arbeitsmarkt werben. Wir brauchen besonders Ingenieure und Naturwissenschaftler. Wenn bei uns die Fachkräfte fehlen, wandern die Unternehmen ab zu den Fachkräften.
Fachkräftemangel als Problem für Unternehmen
Sie haben auf Ihrer Industrietour durch NRW viele Firmen besucht. Wie stellt sich die Wirtschaft auf den Demografiewandel ein?
Laschet: Die Unternehmen sehen neben den Energiekosten den Fachkräftemangel als größtes Problem. Sie werben um die besten Köpfe. Die Unternehmen werden immer familienfreundlicher und bieten beispielsweise Betriebskindergärten an, um Mitarbeiter zu binden. Beim Anwerben von Hochqualifizierten werden auch Arbeitsplätze für den Partner angeboten. Außerdem steigt die Zahl der 55-Jährigen, die in den Firmen einen Job erhalten.
Der Schlüssel für die Sicherung der Sozialsysteme liegt wesentlich im Erhalt der Industriearbeitsplätze?
Laschet: Ich will, dass wir um jeden einzelnen Industriearbeitsplatz kämpfen. Wir brauchen die Industriearbeitsplätze, auch der Schwerindustrie, in Nordrhein-Westfalen. Die Kosten durch die Energiewende dürfen die Wirtschaft nicht überfordern, sonst sind die Arbeitnehmer die Opfer. Wir brauchen eine Wertschöpfungskette vom Stahl bis zum Autozulieferer.