Berlin. . Innenminister Hans-Peter Friedrich legt sich nicht nur in Sachen NPD-Verbot quer. Er schafft im Alleingang Fakten, was bei den Bundesländern nicht gut ankommt. Friedrich allerdings dementiert, rechthaberisch zu sein.

Auf der Fensterbank liegt der Stapel mit der Materialsammlung für ein NPD-Verbot, 1000 Seiten, auf dem Schreibtisch ein Ordner mit der Anklage gegen die rechtsextreme Terroristin Beate Zschäpe. Wann immer sich die Gelegenheit bot, wühlte sich Hans-Peter Friedrich durch den Stoff, der zur zentralen Herausforderung des Innenministers führt: die Konsequenzen aus dem „Nationalsozialistischen Untergrund“. In diesen Tagen entscheidet sich, wie der Verfassungsschutz reformiert und ob der Staat es erneut darauf anlegen wird, die NPD zu verbieten.

Friedrich hat einen Beschluss über die NPD verzögert. Er hielt das Risiko eines Scheiterns für zu hoch, wollte auch keine Entscheidung im Affekt. Aber nun sieht es so aus, dass die Länder ein Verbot betreiben werden. Friedrich wird sich damit abfinden. „Ich bin nicht rechthaberisch“, sagt er.

Mehr Zentralismus

Bereits im Januar rang Friedrich sich dazu durch, den Verfassungsschutz neu zu ordnen. Er führte Gespräche, ging alten Reformplänen nach und wartete im ministeriellen Hochsitz, 13. Etage, ab. Mit dem Schredderskandal kam im Frühjahr Bewegung in die Sache. Beim Verfassungsschutz wurden Unterlagen vernichtet. Der Amtschef gab auf. Als Nachfolger installierte Friedrich einen seiner Beamten und legte ein Reformkonzept vor. Auf Zentralismus lief es hinaus: mehr Eingriffsrechte für das Bundesamt.

Die Länder waren doppelt irritiert: Von den Plänen wie vom Alleingang an sich. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erfuhr vom Plan, den Friedrich publik gemacht hatte, zum Ende seines Urlaubs. Die Länder wollten keine Kompetenzen abgeben; genauso wenig, dass der Verfassungsschutz des Bundes Operationen an sich reißen sollte. Sie stimmten immerhin zu, alle Verbindungs-Leute in einer Zentralstelle zu führen.

Politischer Killerinstinkt

Auf der Innenministerkonferenz in dieser Woche in Rostock wird Friedrich sich einiges anhören müssen. Sie haben insgeheim allerdings seinen politischen Killerinstinkt unterschätzt. Der Mann schafft Fakten. Als der 55 Jahre alte Franke das Abwehrzentrum gegen Rechts einführte, teilte er nur den Termin mit. Genauso verfuhr er im Herbst, als er in Köln ein weiteres Zentrum eröffnete, diesmal gegen Links. Ein „Schnellschuss“, empörte sich sein NRW-Kollege Ralf Jäger. „Schily war rotzig zu uns“, erzählt ein langjähriger Spitzenbeamter aus den Ländern, „aber er war berechenbar.“

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Otto Schily (SPD), der Heldentenor unter den Innenministern, brauchte nach dem 11. September 2001 drei Jahre: Von den Anti-Terror-Gesetzen im Januar 2002 bis zum ersten Abwehrzentrum im Dezember 2004. Dagegen hat Friedrich in der kurzen Amtszeit seit März 2011 zwei Abwehrzentren, die Rechtsextremismusdatei, die Visa-Warndatei eingeführt, die Anti-Terror-Gesetze verlängert und die Führung der Bundespolizei ausgetauscht.

Befreit von Zwängen

Friedrich, vorher Chef der CSU-Landesgruppe, ein Strippenzieher, handelte als Minister wie befreit von Zwängen. All das, was Politik auch ausmacht – überzeugen, einbinden, austarieren und aushandeln –, stand hintan. Er denkt und handelt wie ein Beamter, weshalb man häufig als Erklärung für seine Alleingänge hörte, nicht er führe den Apparat, sondern umgekehrt.

Im Parlament wird immer wieder Kritik an Friedrich laut. Die SPD sprach ihm die Eignung für das Amt ab. Die Grünen waren verärgert, als er den „massiven Zustrom“ von Sinti und Roma beklagte. Die Linke war empört, weil er sie vom Verfassungsschutz beobachten lässt. Die Islamkonferenz kam mit seinen Vorgängern besser klar. Und die Sicherheitspartnerschaft mit den Muslimen kommt nicht voran. Die harte Linie in der Ausländerpolitik ist wohl eine Demonstration für die CSU.

Vom Typ ist Friedrich eher ein Merkel-Mann: verbindlich, ergebnisorientiert, uneitel. Und kein Vergleich mit Manfred Kanther, Schily oder Wolfgang Schäuble, die das Amt derart prägten, dass man sich einen Polizeiminister gar nicht mehr anders vorstellen mochte als streng, streitbar und scharfzüngig.

Bis Hans-Peter Friedrich kam.