Düsseldorf. . „Rechtsradikale sind allgemeingefährlich“, sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger. Die Kriminalstatistik NRW belege, dass rechte Straftäter gefährlicher seien als der Durchschnitt der Kriminellen.

Heiko K. hat das klassische Profil des Rechtsextremisten. Der 20-Jährige ist der Polizei bekannt: als „gewalttätig“, „bewaffnet“ und „Straftäter rechtsmotiviert“. Sechsmal wurde er durch politisch motivierte Delikte auffällig. Doch der Neonazi aus dem Ruhrgebiet hat auch ein Leben in der Allgemeinkriminalität, wo 16 Straftaten auf sein Konto gehen: Beleidigung, Bedrohung, gefährliche Körperverletzung und besonders schwerer Diebstahl. Zuletzt hielt er seiner Lebensgefährtin während eines Streits eine Schreckschusswaffe an den Kopf.

„Sieg-Heil“-Rufe vor der Disko

„Rechtsradikale sind allgemeingefährlich“, folgert NRW-Innenminister Ralf Jäger. Für den SPD-Politiker ist Heiko K. nur ein Fall – allerdings ein nicht untypischer. Denn die jüngste, präzisere Auswertung der Kriminalstatistik des Landes belege, dass rechte Straftäter gefährlicher sind als der Durchschnitt der Kriminellen. Auf 88 politische Gewaltdelikte von Neonazis kamen im ersten Halbjahr 2012 an Rhein und Ruhr nahezu doppelt so viele „unpolitische“ Gewaltstraftaten (145).

Als erstes Land hat Nordrhein-Westfalen zu Jahresbeginn die bisher übliche Erfassung der Straftaten verfeinert. Seitdem werden nicht nur die politisch motivierten, sondern sämtliche Straftaten von Rechtsextremisten gesondert ausgewiesen. Jäger erhofft sich davon ein klareres Bild vom gesamten Bedrohungspotenzial, um „schlagkräftiger zu werden gegen die braunen Kriminellen“.

Auch der 19-jährige Marco P. war als politischer Straftäter seit Jahren aufgefallen. Er trug Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, oder bedachte Türsteher in einer Disko mit „Sieg Heil!“-Rufen. Daneben betrieb der Rheinländer eine beachtliche allgemein kriminelle Karriere. Ihm konnten seit 2010 insgesamt 46 Fälle zugeordnet werden: Diebstahl, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Polizisten, Beleidigung, Verstoß gegen das Waffengesetz.

616 Fälle in sechs Monaten

Meist sind es Körperverletzungen, die sich Rechtsextremisten zu Schulden kommen lassen. Im ersten Halbjahr wurden 354 Neonazis in NRW 616 Straftaten der nicht politisch motivierten Kriminalität nachgewiesen – darunter ein Tötungsdelikt, 140 Diebstähle und Einbrüche sowie 54 Fälle von Bedrohung und Nötigung. Jäger bringt es auf die griffige Formel: „Heute verprügelt ein Neonazi einen Ausländer, morgen stiehlt er einer alten Frau die Handtasche.“

Um über NRW hinaus eine standardisierte Erfassung aller Straftaten von Rechtsextremen zu erreichen, will er eine Initiative in der Konferenz der Innenminister (IMK) starten. „Mit neuen bundeseinheitlichen Kriterien erreichen wir ein klareres Bild über sämtliche kriminelle Aktivitäten“, sagte Jäger dieser Zeitung, „dann könnten wir die Rechtsextremisten noch besser ins Visier nehmen.“