Berlin. Bei der Urwahl für die Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl kam Claudia Roth nur weit abgeschlagen auf den vierten Rang. Nach der Schlappe ging sie auf Tauchstation. Für Montag hat sie nun überraschend ein Statement angekündigt. Das neue Spitzenduo Trittin und Göring-Eckardt appellieren an sie, weitzumachen.

Die Grünen könnten nach dem klaren Votum für ihr Spitzenduo vor einer neuen Führungsdebatte stehen. Parteichefin Claudia Roth kündigte nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Urwahl überraschend eine Erklärung für Montagmorgen an. Sie werde sich noch vor der Sitzung des Bundesvorstands äußern, hieß es in einer Mitteilung vom Sonntag. Details wurden nicht genannt. Allerdings gab es Spekulationen, Roth könnte aus Enttäuschung ihre erneute Kandidatur für den Parteivorsitz bei dem am Freitag beginnenden Parteitag zurückziehen. Bisher allerdings ist die Parteichefin auf Tauchstation. Nur auf Facebook gab es ein kurzes Statement von ihr zum Wahlausgang in dem sie den Gewinnern gratuliert und feststellt: Das ist Demokratie!

Das frischgekürte Spitzenduo Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt warb dafür, dass Roth und die ebenfalls klar unterlegene Renate Künast bei den Gremienwahlen auf dem Parteitag gute Ergebnisse erhalten sollten. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen erklärten, sie wollten, dass Roth Parteichefin bleibe.

Wahlgewinner appellieren an Einigkeit

In der Urwahl hatte Grünen-Fraktionschef Trittin 71,9 Prozent der Stimmen erhalten, für Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt stimmten 47,3 Prozent der Parteimitglieder. Dagegen scheiterte Co-Fraktionschefin Künast mit 38,5 Prozent, Roth erhielt nur 26,2 Prozent. Vor allem das schlechte Abschneiden Roths galt als Überraschung. Wer sie kennt, weiß, dass sie sich von diesem Ergebnis verletzt fühlen dürfte. Vor zehn Jahren hatte Roth in einer emotionalen Reaktion auf den Parteivorsitz verzichtet, weil der Parteitag in Hannover eine Lockerung der Trennung von Parteiamt und Bundestagsmandat verhinderte. Roth entschied sich damals für ihren Sitz als Abgeordnete.

Trittin und Göring-Eckardt warben um Einigkeit. "Ich wünsche mir, dass wir geschlossen in das Wahljahr hineingehen", betonte Trittin. Göring-Eckardt sagte der: "Ich wünsche mir, dass Claudia Roth ein gutes Ergebnis beim Parteitag bekommt." Der Vorsitzende der Grünen in NRW, Sven Lehmann, sagte: "Die Grünen können die Bundestagswahl nur im Team gewinnen, und Claudia Roth gehört zu diesem Team dazu." Roth sei ein Garant dafür, dass die Grünen die Partei der gesellschaftlichen Vielfalt und Buntheit blieben. Deswegen unterstütze er auch weiterhin die erneute Kandidatur Roths für den Grünen-Vorsitz auf dem Parteitag am kommenden Wochenende, erklärte Lehmann.

Spitzenduo legt sich auf Bündnis mit der SPD fest

Das Spitzenduo legte sich zugleich überraschend deutlich auf ein Bündnis mit der SPD fest. "Wir wollen die Koalition aus SPD und Grünen", sagte Trittin. Auch die dem zusehends bürgerlicher werdenden Realo-Flügel der Partei zugeordnete Göring-Eckardt lehnte ein schwarz-grünes Bündnis ab. "Ich sehe mit der Merkel-CDU keine genügende Übereinstimmung." Ihre Wahl war von vielen Beobachtern so interpretiert worden, dass sich viele Grüne von der Basis durchaus ein schwarz-grünes Bündnis vorstellen können.

Trittin kündigte an, dass die Grünen auch in einem Bündnis mit der SPD selbstbewusst auftreten würden. "Wir werden darauf achten, dass sich die politische Breite der Grünen auch in der Ressortverteilung niederschlägt", sagte Trittin. "Wir werden auch durchsetzen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind", fügte Göring-Eckardt hinzu.

Forderung nach Rückzug aus Bundestags-Präsidium

CSU, FDP und Linkspartei forderten Göring-Eckardt auf, ihr Amt im Bundestagspräsidium aufzugeben, weil sie nun Spitzenkandidatin sei. Die Politikerin lehnte dies ab. Ihr Amt als Präses der EKD will sie aber bis zur Bundestagswahl weiter ruhen lassen. "Göring-Eckardt sollte ihre Haltung noch einmal überdenken", teilte der Linken-Fraktionsvize Ulrich Maurer mit. "Sie kann im Wahlkampf bei den wichtigen Debatten nicht über den Kontrahenten präsidieren." Göring-Eckardt betonte dagegen, sie könne sich neutral verhalten.

Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke bezeichnete das Ergebnis der Urwahl als "weise Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung". Trittin sei "ein Vorkämpfer des grünen Wirtschaftswunders" und Göring-Eckardt "eine Anwältin der Ärmsten in der Gesellschaft". Diese nannte als ihr Ziel den Kampf für eine gerechtere Gesellschaft und mehr Zusammenhalt. Trittin betonte, dass zur Bundestagswahl klare Alternativen in der Energiepolitik oder der EU-Politik zur schwarz-gelben Koalition vorgelegt würden. Man wolle deutlich machen, dass es um "Grün oder Merkel" gehe, betonte Göring-Eckardt. (rtr)