Berlin. Rechtsextremes Gedankengut breitet sich in Ostdeutschland massiv aus. Das ist das Ergebnis einer Studie. Danach haben über 15 Prozent der Ostdeutschen ein rechtsextremes Weltbild. 2006 waren es noch 6,6 Prozent. In Westdeutschland ist die Zustimmung zu rechtsextremen Thesen hingegen gesunken.
Rechtsextremes Gedankengut ist einer Studie zufolge in Ostdeutschland dramatisch auf dem Vormarsch: Die Zahl der Bürger mit einem fest geschlossenem rechtsextremen Weltbild stieg dort im Vergleich zu 2010 sprunghaft von 10,5 auf 15,8 Prozent, wie aus der am Montag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hervorgeht. Die Verfasser bezeichneten die Entwicklung in den neuen Ländern als "alarmierend".
Dass rund jeder siebte Ostdeutsche ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild habe, sei der höchste Wert, der bei ihren regelmäßigen Studien bislang gemessen wurde, betonte die FES. In Westdeutschland sank die Quote dagegen von 2010 bis 2012 von 7,6 auf 7,3 Prozent. Der Mittelwert für ganz Deutschland erhöhte sich von 8,2 auf neun Prozent. Die SPD-nahe Stiftung untersucht in der repräsentativen Erhebung "Die Mitte im Umbruch" alle zwei Jahre die Verbreitung von rechtsextremen, antidemokratischen, antisemitischen und islamfeindlichen Haltungen.
Offensichtlich eine Folge der Strukturprobleme in Ostdeutschland
Als besonders dramatisch bezeichneten die Autoren, dass in Ostdeutschland inzwischen eine neue Generation von Rechtsextremisten entstanden ist. Anders als bei früheren Befragungen wiesen 14- bis 30-Jährigen dort hinsichtlich ihrer Zustimmung zu einer rechtsautoritären Diktatur, zu Sozialdarwinismus oder zur Verharmlosung des Nationalsozialismus höhere Werte auf als über 60-Jährige.
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"Bestand in der Vergangenheit ein enger Zusammenhang zwischen zunehmendem Alter und rechtsextremer Einstellung, so findet sich dieser nun nicht wieder", warnt die Studie. "Die Brisanz dieser Situation darf keinesfalls unterschätzt werden." Es handle sich offensichtlich um eine Folge der Strukturprobleme in Ostdeutschland sowie des Gefühls einer Generation, nicht gebraucht zu werden.
Im Kern kein ostdeutsches Problem
Der Verweis auf die soziale und wirtschaftliche Abkopplung zeige auch, dass es sich im Kern nicht um ein ostdeutsches Problem handle, betonten die Autoren. Entscheidend seien wirtschaftliche Strukturmerkmale. Im Osten gebe es nur besonders viele "abwärtsdriftende Regionen".
Angesichts einer enormen Jugendarbeitslosigkeit und unsicherer Perspektiven mache das auch mit Blick auf andere Regionen Deutschlands und Europas pessimistisch. "Diese zurückgelassenen Regionen bringen für die Demokratie langfristig viel schwerwiegendere Probleme mit sich als 'nur' hohe Arbeitslosenzahlen oder Verschuldungsraten", erklärte die FES.
Der Erhebung zufolge sind in Deutschland in hohem Maße auch antisemitische und antiislamische Einstellungen vorhanden. Antisemitische Einstellungen seien bei mindestens knapp einem Drittel (28 Prozent) in der einen oder anderen Form festzustellen. Daneben gebe es ein "enormes Potenzial" an antiislamischen Haltungen. So seien 36,2 Prozent islamfeindlich, 60,8 Prozent islamkritisch. Für die Untersuchung befragte die FES nach eigenen Angaben im diesem Sommer 2400 Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. (afp)