Washington. Karl-Theodor zu Guttenberg plant kein Comeback in der deutschen Politik. Der einstige Bundesverteidigungsminister hat sich am Donnerstag nach einem Jahr Pause mit einem Vortrag zur Lage der Welt in Washington zurückgemeldet. Und erzählt, dass er sein neues Leben mit Frau und Kindern in den USA genießt.

Karl-Theodor zu Guttenberg will bis auf weiteres nicht zurück in die deutsche Politik. „Meine Familie und ich sind dafür zu glücklich in den Vereinigten Staaten“, sagte der 40-Jährige am Donnerstagabend bei einem öffentlichen Vortrag im „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) in Washington.

Der wegen einer aus Büchern, Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Dossiers abgeschriebenen Doktorarbeit im März 2011 als Verteidigungsminister zurückgetretene CSU-Politiker befasst sich in der „Denkfabrik“ seit einem Jahr unentgeltlich unter dem Titel eines „Angesehenen Staatsmanns“ mit Fragen internationaler Politik. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern seit Sommer 2011 in Greenwich, einem wohlhabenden Ort im Bundesstaat Connecticut.

Medien hatten über Comeback zu Bundestagswahl 2013 spekuliert

Berichte in deutschen Medien, in denen zuletzt über eine zentrale Rolle Guttenbergs in der CSU und bei der Bundestagswahl 2013 spekuliert wurde, bezeichnete er als „baloney“, übersetzt: Unsinn. Im November 2011 hatte der einst als künftiger CSU-Chef und potenzieller Kanzlerkandidat gehandelte Politiker im kanadischen Halifax harsche Kritik an den politischen Führungsfiguren weltweit geübt und allgemein fehlende „Kreativität“ bemängelt. Das gefiel Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle nicht.

Wenig später präsentierte Guttenberg ein selbst geschriebenes Buch mit dem Titel „Vorerst gescheitert“, in dem er seine Plagiatsaffäre in ein für ihn mildes Licht rückte. Das gefiel weder seiner ehemaligen Universität noch den meisten Rezensenten. Danach wurde Guttenberg Berater Online-Berater für die Europäische Kommission in Brüssel. Das gefiel einem Internet-Aktivisten nicht. Er drückte dem Minister in Berlin eine Kirschtorte ins Gesicht.

Guttenberg wirft Nato einen „eingeschränkten“ Blick vor

Seither war es still um den ehemaligen Hoffnungsträger der Union. Guttenbergs Referat in Washington war der erste öffentlich angekündigte Auftritt in der Denkfabrik seit fast einem Jahr. Vor rund 250 Zuhörern, darunter 30 Journalisten, sollte Guttenberg auf Englisch zum Zustand der transatlantischen Beziehungen sprechen. Guttenberg bedankte sich zunächst für die Möglichkeit, bei CSIS Studien treiben zu dürfen in Bereichen, „wo ich so tat oder mir wünschte, Wissen zu besitzen“. Die Option, „still zu bleiben bei verschiedenen Themen“, sei für ihn von „unschätzbarem Wert“ gewesen.

Der als Außenpolitiker bei der CSU gestartete Adlige beklagte erneut ein allgemeines Unverständnis der herrschenden Führungsschicht dies- wie jenseits des Atlantiks für die „Verschränktheiten und wechselseitigen Abhängigkeiten“ nahezu aller global wichtigen Themen. Im speziellen Verhältnis Europa-USA könne er nicht viel „Inspirierendes“ entdecken. Der Verteidigungs-Allianz Nato hielt der frühere Bundeswehr-Chef einen „eingeschränkten“ Blick vor. Die Perspektive, vor der Afghanistan stehe, könne er nur als „zynisch“ bezeichnen, das öffentliche Nennen von Abzugsdaten sei nicht hilfreich gewesen.

Angeblich strebt Guttenberg in den USA eine zweite Doktorarbeit an  

Die Europäische Union stecke in einer „Struktur-Krise“, weil den Menschen niemand eine "neue Erzählung" über Sinn und Zweck anbiete. Die EU werde sich „weiter durchwursteln“, obwohl ambitioniertere Schritte notwendig seien. Die Vereinten Nationen bewegten sich „wie ein Eisberg in Wasser mit warmer Strömung“.

Guttenberg, dem nachgesagt wird, in Amerika eine zweite Doktorarbeit anzustreben, diesmal aus komplett eigener Feder, machte als Kern-Übel aus, dass Super-Mächte und aufstrebende Staaten die „offensichtlichen Komplexitäten“ nicht erkennen und zu wenig miteinander reden würden. So sei die Bereitschaft etwa, in Europa die Wahrheit über die alternde Bevölkerung, zurückgehende Bevölkerungszahlen und die damit einhergehenden Folgewirkungen „offen auszusprechen“, nicht ausgeprägt.

Werbung für mehr „Pragmatismus und Emotion“

Guttenberg warb, ohne auch nur im Ansatz konkret zu werden, für mehr „Pragmatismus und Emotion“ bei der Bewältigung von Konflikten. Insgesamt müssten mehr Kommunikation und mehr Austausch in der internationalen Staatengemeinschaft passieren. Bezogen auf die amtierende Bundesregierung erneute Guttenberg seine Kritik an der passiven Rolle Deutschlands im Libyen-Konflikt.

Dass Berlin die gescheiterte Fusion des europäischen Raumfahrtriesen EADS mit dem britischen Rüstungskonzern BAE zu verantworten habe, stehe für eine vertane „historische Chance“. Heather Conley, die zuständige Europa-Expertin bei CSiS, bedankte sich für die „erhellenden" Ausführungen. Am Tag zuvor war Guttenberg bei einem Vortrag an der Elite-Universität Yale von Studenten, darunter deutsche Doktoranden, angegangen worden, die sich durch den Auftritt des Plagiators in ihrer akademischen Integrität verletzt sahen.