Berlin. Franz Josef Jungs Vorstoß findet keine Gegenliebe. Der Verteidigungsminister (CDU) hatte gefordert, die Bundeswehr auch bei Geiselbefreiungen im Rahmen des Piraten-Einsatzes und im Inneren einzusetzen. Dazu will er das Grundgesetz ändern. Die SPD und die Polizeigewerkschaft sind dagegen.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) stößt mit seiner Forderung nach mehr Befugnissen für die Bundeswehr auf breiten Widerstand. Neben SPD und Opposition lehnen auch Polizeigewerkschaft und Verfassungsrechtler eine Grundgesetzänderung ab, um Einsätze deutscher Soldaten bei Geiselbefreiungen zu erleichtern. Die Bundesregierung rechnet nicht mehr mit einer Entscheidung in dieser Legislaturperiode.

Jung will Bundeswehr hinzuziehen können

Der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater sagte am Montag in Berlin, die Frage werde ein Dissens bleiben und sei Sache des nächsten Parlaments und der nächsten Bundesregierung. Jung strebt nach Angaben seines Ministeriums Änderungen der Artikel 35 zur Amtshilfe und 87a zum Einsatz von Streitkräften an.

Der Minister hatte anlässlich der Freilassung des von somalischen Piraten gekaperten Frachters «Hansa Stavanger» argumentiert, dass derzeit die Polizei für Geiselbefreiungen zuständig sei, und angemahnt, über eine Verfassungsänderung nachzudenken, «die der Bundeswehr den Zugriff dann ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann».

"Atalanta"-Mandat gilt nur auf See

Jungs Sprecher Thomas Raabe hob hervor, es sei eine zentrale Frage, wie deutsche Staatsbürger im Ausland am besten geschützt werden könnten, wenn die Polizei nicht vor Ort ist. So sei im Rahmen der europäischen Anti-Piraten-Mission am Horn von Afrika, «Atalanta», zwar vieles möglich, räumte er ein. Aber das Mandatsgebiet sei fest definiert - auf dem Wasser - und zeitlich befristet. Eine gesetzliche Klarstellung sei daher etwa für den Fall notwendig, wenn der Schutz deutscher Bürger an Land notwendig würde.

Jung selbst sprach sich beim Wahlkampfauftakt der Hessen-CDU in Wiesbaden außerdem dafür aus, eine Rechtsgrundlage für mögliche Bundeswehreinsätze im Innern zu schaffen. Niemand wolle, dass die Bundeswehr zur Ersatz-Polizei werde, sagte er. Die Unterstützung im Terrorfall und der Schutz der Bevölkerung müssten dennoch eine wesentliche Aufgabe der Bundeswehr werden.

Die SPD protestiert

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kritisierte die «merkwürdige Debatte», die Jung angezettelt habe. Mit Blick auf den Anti-Piraten-Einsatz deutscher Soldaten sagte Heil, die rechtlichen Möglichkeiten für die Bundeswehr im Falle von Geiselnahmen seien bereits vorhanden. Vielmehr hake es an der operativen Zusammenarbeit zwischen Verteidigungsministerium und Bundesinnenministerium. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warnte, auf keinen Fall dürfe die Bundeswehr im Inneren für polizeihoheitliche Aufgaben eingesetzt werden.

FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger hält eine Änderung des Grundgesetzes ebenfalls für überflüssig. «Das Mandat für die EU-Mission 'Atalanta' lässt Geiselbefreiungen mit Waffengewalt eindeutig und zweifelsfrei zu», sagte sie. «Man benötigt nicht die GSG 9, um auf See vor Somalia deutsche Geiseln zu befreien. Dazu ist das Kommando Spezialkräfte in der Lage, wenn es für solche spezifischen Einsätze trainiert würde», sagte sie. Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei forderte Jung auf, «mit dem ständigen Bohren an der Verfassung» aufzuhören.

Polizeigewerkschaft und Verfassungsrichter dagegen

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte, eine Geiselbefreiung wie im Fall der «Hansa Stavanger» habe nichts mit der Verfassung zu tun. Vielmehr müssten die Ministerien besser zusammenarbeiten. «Im Fall der 'Hansa Stavanger' waren drei Ministerien zu dusselig, den Einsatz zu koordinieren», kritisierte er.

Nach Ansicht des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Joachim Jentsch wurde das Grundgesetz bereits viel zu häufig geändert. Die Idee, eine Trennung zwischen Polizeigewalt und Verteidigungsaufgaben festzuschreiben, dürfe nicht in Vergessenheit geraten. (ddp)