Peking. . Beim Parteitag der Kommunisten solll die Abslösung der bisherigen Führungsspitze offiziell vollzogen werden. Vor dem Hintergrund wachsender wirtschaftlicher Probleme gibt Staats- und Parteichef Hu Jintao die Macht an seinen Nachfolger Xi Jinping ab. Größere Reformen soll es dennoch nicht geben, betonte Hu bei seiner Eröffnungsrede.
Die chinesischen Kommunisten haben am Donnerstag ihren Parteitag zur Ablösung der bisherigen Führungsspitze begonnen. Staats- und Parteichef Hu Jintao eröffnete die Beratungen mit einer 90-minütigen Rede, in der er den Machtanspruch der Kommunisten bekräftigte und Änderungen am Einparteiensystem ausschloss. "Wir werden niemals ein westliches politisches System kopieren", sagte er, seinen designierten Nachfolger und bisherigen Stellvertreter Xi Jinping und andere Spitzenfunktionäre hinter sich.
Der 69-jährige Hu und seine ebenfalls über 60-jährigen Kollegen aus der obersten Führung werden die Macht in den nächsten fünf Monaten an Xi und dessen Generation der um die 50-Jährigen abgeben. Alle fünf Jahre gibt es Parteitage, alle zehn Jahre wird üblicherweise die Führung erneuert. Die Personalentscheidungen werden offiziell auf dem Parteitag, in der Regel aber in engsten Parteizirkeln vorher ausgehandelt. Dem Parteitag waren heftige Machtkämpfe hinter den Kulissen vorausgegangen.
Dutzende Dissidenten wurden weggesperrt
In Peking versammelten sich mehr als 2000 handverlesene Delegierte in der Großen Halle des Volkes. In deren Umgebung und auf dem angrenzenden Tiananmen-Platz, auf dem das Militär 1989 die Demokratiebewegung niedergeschlagen hatte, wurde besonders streng auf Sicherheit geachtet. Die Polizei führte einen schreienden Demonstranten ab, als im Morgengrauen die chinesische Flagge gehisst wurde. Bereits im Vorfeld waren Dutzende von Dissidenten weggesperrt oder ausgewiesen worden, damit sie die Veranstaltung nicht stören.
Hu ging in seiner Rede auf die Herausforderungen ein, denen sich China stellen müsse - ohne eine Vision für die Wiederbelebung der schwächelnden Wirtschaft und die Forderungen nach einer besseren Regierungsführung zu entwickeln. Er sprach die sich vergrößernde Kluft zwischen Arm und Reich an, ein auf die Umwelt keine Rücksicht nehmendes Wachstum und die Ungleichheit zwischen wohlhabenden Städten und den verarmenden ländlichen Gebieten. Er beließ es aber bei bruchstückhaften Politikentwürfen, die von Beobachtern als das Kennzeichen seiner zehnjährigen Herrschaft gesehen werden.
"Niemand steht über dem Recht"
Nur bei dem Thema Korruption wurde Hu deutlicher. Er rief Parteimitglieder auf, sich ethisch korrekt zu verhalten und Familienangehörige zur Ordnung zu rufen, die ihre Beziehungen zur Bereicherung nutzten. "Niemand steht über dem Recht", sagte er unter Applaus der 2.309 Delegierten und geladenen Gäste in der Großen Halle des Volkes in Peking. "Wenn wir mit diesem Problem nicht gut umgehen, könnte es fatal für die Partei werden und sogar den Zusammenbruch der Partei und des Staates herbeiführen", mahnte Hu.
Seine Rede sollte Xi und die neue Führung auf politische Kontinuität verpflichten. Hu gab als Ziel für die chinesische Wirtschaft die Verdoppelung des Prokopfeinkommens von 2010 bis 2020 aus, wozu ein jährliches Wachstum von acht Prozent notwendig wäre. "Nur Entwicklung zählt", sagte er. Allerdings wird Chinas Wirtschaft in diesem Jahr erstmals seit langem die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen.
Die Delegierten bestimmen auf dem 18. Parteitag auch rund 200 Mitglieder des Zentralkomitees. Darüber stehen das 25-köpfige Politbüro und dessen neun Mitglieder zählender Ständiger Ausschuss, das eigentliche Machtzentrum.
Xi Jingping - in Jahrzehnten an die Spitze
Für Xi Jinping ist der 18. Parteitag der KP Chinas die letzte wichtige Etappe auf dem Weg an die Staatsspitze. Der 59-Jährige, der sich über die Jahrzehnte innerhalb der Kommunistischen Partei geduldig nach oben gearbeitet hat, wird nach den Gepflogenheiten der Volksrepublik auf dem alle fünf Jahre stattfindenden Treffen von Hu Jintao den Parteivorsitz übernehmen. Beim Nationalen Volkskongress im März 2013 soll der bisherige Vizepräsident dann Hus Nachfolge im obersten Staatsamt antreten. Er dürfte damit die kommenden zehn Jahre Chinas Geschicke wesentlich bestimmen.
Der im Juni 1953 in Peking geborene Sohn eines Revolutionshelden gilt als konservativ und wenig charismatisch. Sein Vater, Xi Zhongxun, hatte die kommunistische Guerilla in der Provinz Shaanxi begründet und an der Seite Mao Tse-tungs gekämpft, dem er nach Gründung der Volksrepublik als Vize-Regierungschef diente. Als er während der Kulturrevolution (1966-1976) als Konterrevolutionär im Gefängnis landete, wurde auch sein Sohn Jinping - wie Millionen andere Jugendliche - zur Umerziehung aufs Land geschickt.
1974 in die Kommunistische Partei eingetreten, durfte Xi ein Jahr später zum Studium an der Tsinghua-Universität nach Peking zurückkehren - einer bekannten Kaderschmiede, an der auch sein Mentor Hu ausgebildet wurde. Nach seinem Studiumabschluss in Chemie und der Rehabilitierung seines Vaters durch den Reformer Deng Xiaoping Anfang der 1980er Jahre kletterte Xi in den Rängen der Partei rasch nach oben.
Für Glamour sorgt die Ehefrau
Xi übernahm im Laufe der Jahre Posten in den Provinzen Shaanxi, Hebei, Fujian und Zhejiang. Während seiner Amtszeit als Gouverneur von Fujian war er einer der wenigen Parteiführer, die nicht in einen Korruptionsskandal hineingezogen wurden, der damals die Küstenprovinz erschütterte. 2007 wurde er von Hu Jintao gerufen, um Parteichef von Shanghai zu werden, nachdem sein Vorgänger sich heillos in einen Finanzskandal verstrickt hatte. Seit 2008 ist der massige Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel Vize-Präsident Chinas.
Glamour fällt auf den sonst eher spröden Xi durch seine Ehefrau Peng Liyuan. Zehn Jahre jünger als ihr Mann, ist Peng eine landesweit berühmte Sängerin. Während Xi noch als unbekannter Parteifunktionär an seiner Karriere feilte, war die Sopranistin bereits ein Star. Ihre Laufbahn hatte sie als einfache Soldatin in der Armee begonnen, bevor sie durch ihre Auftritte bei der Neujahrsgala, die landesweit im Fernsehen übertragen wird, zu nationalem Ruhm gelangte. Heute steht sie im Rang eines Armeegenerals.
Als Peng sich 2008 nach 25 Jahren aus der Neujahrsgala verabschiedete, wurde gemunkelt, dass sie ihrem Mann keine Konkurrenz machen sollte. Dieser war im Oktober 2007 nämlich in das einflussreiche ständige Komitee des Politbüros gewählt worden. Zunächst nur Nummer sechs von neun Mitgliedern, stieg er bald weiter auf und wurde im März 2008 zum Vizepräsidenten gekürt. Als er im Oktober 2010 auch noch zum stellvertretenden Vorsitzenden der mächtigen Zentralen Militärkommission aufstieg, war sein Aufstieg zur Nummer eins des bevölkerungsreichsten Landes der Welt vorgezeichnet.
Ein pragmatischer Teamplayer
International sorgte Xi 2009 bei einer Rede in Mexiko für Furore. Dort geißelte er offenbar mit Blick auf den Westen "Ausländer mit vollen Bäuchen, die nicht anderes tun, als zu kritisieren". Die meisten Chinesen erwarten aber keinen wesentlichen Kurswechsel von ihm, zumal in der Partei die wichtigsten Entscheidungen von der Führungsgruppe einvernehmlich getroffen werden.
"Er ist ein Team-Player", sagt auch China-Analyst Will Lam. "Er hat nach den Regeln der Partei gespielt und nicht auf Risiko." Vom Enthüllungsportal WikiLeaks veröffentlichte US-Diplomatendepeschen beschreiben Xi als pragmatisch, ehrgeizig und willens, seine Haltung zu ändern, wenn sich der politische Wind dreht.
Der stellvertretende Ministerpräsident Li Keqiang könnte die künftige Nummer zwei im bevölkerungsreichsten Land der Welt werden. Der 57-Jährige gilt wie Xi als Vertreter einer wirtschaftlichen Öffnung des Landes. Er soll Nachfolger von Ministerpräsident Wen Jiabao werden. Der war kürzlich in die Schlagzeilen geraten, weil sein Familienclan während seiner Regierungszeit ein Milliardenvermögen angehäuft haben soll. Der Parteitag soll bis zum 14. November dauern.