Peking. Bo Xilai galt einst als Anwärter für ganz hohe Staatsämter - nun ist er im internen Ringen um den künftigen Kurs und einen obskuren Mordverdacht gestürzt. Dabei geht es auch um innenpolitische Weichenstellungen im Lande und die Position der KP.
China hat am Dienstag den ranghohen Politiker Bo Xilai von dessen Leitungsaufgaben entbunden. Wegen des Verdachts "schwerer Disziplinarverstöße" sei zudem Bos Mitgliedschaft im 25-köpfigen Politbüro ausgesetzt worden, hieß es in einem Bericht des staatlichen Fernsehens. Gegen seine Frau, Gu Kailai, werde im Zusammenhang mit der Ermordung eines Briten ermittelt, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua weiter. Der Brite starb im November in Chongqing. Gu und ein Angestellter am Wohnsitz Bos seien den Justizbehörden überstellt worden.
Der britische Außenminister William Hague begrüßte die neuen Ermittlungen. Man freue sich darauf, vom Ausgang dieser Untersuchungen zu hören, sagte er.
Extravagant, populär - mit diktatorischen Tendenzen
Bo gilt als ebenso extravaganter wie telegener Politiker. Als verantwortlicher Parteifunktionär der Metropole Chongqing war er noch bis vor kurzem als möglicher Anwärter auf ein besonders hohes Amt im Parteiapparat gehandelt worden. So machte er auf sich aufmerksam, als er gegen organisiertes Verbrechen vorging und sich für eine Wiederbelebung von Liedern und Geschichten aus der Zeit Mao Tse-tungs einsetzte. Kritiker warfen Bo allerdings vor, mit seinem Vorgehen bürgerliche Freiheiten zu verletzen.
Aus der kurzen Stellungnahme vom Dienstag ging nicht hervor, welcher Regelverstöße Bo verdächtigt wird. Die Vorwürfe könnten so unterschiedliche Verstöße wie Korruption oder parteiinterne Angelegenheiten umfassen.
Bo ist das ranghöchste suspendierte Mitglied des Politbüros seit sechs Jahren. Damals war der Parteichef von Shanghai wegen Korruptionsvorwürfen entmachtet worden. "Ich glaube, dass seine Karriere praktisch vorbei ist", sagte Dali Yang, Politikwissenschaftlerin an der Universität von Chicago. "Auch wenn das eine Krise ist, unterstreicht die Partei damit, das Bo nicht über dem Gesetz steht."
Interner Machtkampf um Stellung der KP
Beobachter gehen davon aus, dass der Sturz Bos ein Zeichen für einen heftigen Machtkampf hinter den Kulissen der chinesischen KP ist. Die für dieses Jahr geplante Übergabe der Führungsspitze von Präsident Hu Jintao und anderen Spitzenfunktionären an eine jüngere Generation wird offenbar von Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs begleitet. Bereits vor dem Skandal war der Stern Bos im Sinken begriffen. Seine Anti-Banden-Kampagne von 2009 bis 2010 - von den Medien wegen der Massenfestnahmen so bezeichnet - stieß in der Partei auf Kritik. Zwar verfolgte Bo populäre Ziele, wie die Bekämpfung der Korruption. Andererseits missachtete die Kampagne ordentliche Verfahren, nahm auch private Unternehmer ins Visier und nötigte sie, Geschäfte an Firmen mit politischen Verbindungen abzugeben. Das erinnert an die Kulturrevolution sowie ihre blutigen Exzesse der Rechtlosigkeit und weckt die Furcht vor heftigen Brüchen in der Entwicklung des Landes. Während ein Technokratenflügel in der KP eher dafür plädiert, durch eine Festigung der Rechtssicherheit eine stabile Fortentwicklung Chinas zu gewährleisten - wodurch allerdings langfristig ein Machtverlust der KP einhergeht. (ap)