Bochum/Düsseldorf. . Über den Bochumer Stadtwerken braut sich ein Gewitter zusammen. Parteiübergreifend distanzierten sich Landtagspolitiker wegen der hohen Honorare für Peer Steinbrück und andere Gastredner von den Stadtwerken. In anderen städtischen Unternehmen ist die Großzügigkeit der Bochumer Tagesgespräch.

Trotz der „Honoraraffäre“ der Bochumer Stadtwerke sieht das NRW-Innenministerium keine Handhabe, künftig großzügige Zahlungen an prominente Gastredner zu verhindern. „Die Kommunalaufsicht ist nur zuständig für den Kernhaushalt, nicht für ­städtische Beteiligungen“, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) der WAZ. Das sei allein Sache der Kommunen und ­gelte auch für Städte mit Nothaushalt.

Die CDU kritisiert die Zahlung von 25.000 Euro an SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück scharf. „Honorare für Vortragsveranstaltungen in dieser Höhe sind unanständig und politisch ­anrüchig“, sagte Unions-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Stadtwerke würden ihren Kommunen damit Geld entziehen, das für Kitas und Jugendzentren besser eingesetzt worden wäre. Laumann forderte einen Ehrenkodex für öffentliche Un­ternehmen. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans mahnte öffentliche Firmen zu Sparsamkeit.

Die Kritik trifft die Bochumer Stadtwerke zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da sie aktuell Preiserhöhungen für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme planen. Andere kommunale Unternehmen aus der Region beteuern, dass bei ihnen niemals auch nur annähernd so hohe Honorare an prominente Gäste ge­flossen seien.

Kritik an den Stadtwerken wächst

Über den Bochumer Stadtwerken braut sich ein Gewitter zusammen. Parteiübergreifend distanzierten sich gestern Landtagspolitiker wegen der hohen Honorare für Peer Steinbrück und andere Gastredner von den Stadtwerken. Der Bund der Steuerzahler mischte sich mahnend ein, und in anderen städtischen Unternehmen schütteln Mitarbeiter die Köpfe ob der Großzügigkeit der Bochumer.

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Wenn Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Landtag an diesem Mittwoch Position zu den saftigen Honoraren der Bochumer beziehen muss, so ist das aus seiner Sicht nur eine Inszenierung. Die CDU habe ihre Anfrage „vorgeschoben“, um den SPD-Kanzlerkandidaten vorzuführen, sagte er. Dennoch: Unbehagen ist in der SPD allseits spürbar.

„Es gibt niemanden, der das gutheißt“

„Es gibt niemanden, der das gutheißt“, hieß es am Rande der Fraktionssitzung. Gemeint sind Praktiken kommunaler Unternehmen, mit reichlich Steuer-Euros teure Imagepflege zu erkaufen. Als „exorbitant“ bezeichnete der Gelsenkirchener Abgeordnete Markus Töns 25 000 Euro Belohnung für einen zweistündigen Talk-Auftritt. Und Finanzminister Norbert Walter-Borjans mahnte, ihre gesellschaftliche Rolle entbinde stadteigene Firmen nicht von der Verpflichtung, „sorgfältig mit Geld umzugehen“.

Er könne „die Beweggründe für eine derartige großzügige Honorierung nicht nachvollziehen“, schrieb Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen an die Geschäftsführung in Bochum. Er legte ihr künftigen Verzicht nahe. Bei der Energiewende komme gerade den Stadtwerken eine wichtige Rolle zu. Ein solcher „Kraftakt“, so der Grüne, sei ohne ausreichende Akzeptanz in der Öffentlichkeit nicht zu schaffen.

Grünen-Landeschefin Monika Düker forderte von Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD), als Aufsichtsratschefin bei den Stadtwerken für „vollständige Aufklärung“ zu sorgen. Düker erinnerte daran, dass die städtischen Mitglieder im Aufsichtsrat nicht nur dem Unternehmen verpflichtet seien, sondern auch „dem Wohl der Stadt, die sparsam haushalten muss“. Der Bund der Steuerzahler stellte fest: „Das Honorar ist sicherlich eine Nummer zu hoch ausgefallen.“ Dies schmälere den Gewinn, den die Stadtwerke an die Kommune auszahlen müssten.

Andere Stadtwerke sind offenbar sparsamer 

In anderen städtischen Unternehmen im Revier wird über die Bochumer Honorare für Peer Steinbrück und Joachim Gauck getuschelt. Zwar zeigt niemand offen mit dem Finger auf die Verantwortlichen der Stadtwerke, aber in Büros, Fluren und Kantinen kursiert eine Frage: Wie kann man nur so abenteuerlich viel Geld für Vorträge bezahlen?

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Die Stadtwerke in Dortmund, Essen und Duisburg erklärten gegenüber dieser Zeitung, dass dort keine hohen Honorare an Promis gezahlt würden. Ähnliches sagten Dirk Thorbow von den Hagener Versorgungs- und Verkehrsbetrieben und Sabine Müller vom Oberhausener Verkehrsunternehmen Stoag.

Bernd Winkelmann vom Dortmunder Groß-Unternehmen DSW21 erinnert sich an Gastauftritte der Politiker Norbert Lammert und Franz Müntefering vor Führungskräften. „Das war aber unentgeltlich“, unterstreicht er. Die Stadtwerke Duisburg haben keine dem Bochumer „Atrium-Talk“ vergleichbare Vortragsreihe. Sprecher Thomas Nordiek verwies auf strenge interne Regeln für Sponsoring. Die Kosten für Werbung müssten im „angemessenen Verhältnis“ zum Nutzen stehen. In den Stadtwerken Essen sollen hohe Honorare für Redner ebenfalls „kein Thema“ sein. Geld sei in sozialen Projekten besser aufgehoben.

15 000 Euro von der Sparkasse

Etwas anders gehen die Sparkassen an das delikate Thema heran. Sie sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Dennoch haben Sparkassen, auch aus NRW, prominente Gastredner großzügig bezahlt. Peer Steinbrück war im Januar Gast der Sparkasse Witten. Honorar: 15 000 Euro.

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Die Sparkasse Gelsenkirchen hatte in ihrem „Finanzforum“ Reinhold Messner, Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm und Handball-Legende Heiner Brand präsentiert. Wie hoch deren Honorare waren, verrät Sparkassen-Sprecher Udo Kramer nicht. „Es sind aber stets Sponsoren aus der Wirtschaft mit im Boot gewesen“, so Kramer. Die Veranstaltungen hätten nicht nur das Image der Sparkasse, sondern auch das der Stadt gefördert. Bei den Spenden an Gelsenkirchener Einrichtungen habe es nie Abstriche gegeben.

Die Sparkasse Witten sieht den bezahlten Vortrag von Peer Steinbrück im Januar als Investition. Auch die Sparkasse Gelsenkirchen glaubt: Vortrags-Veranstaltungen mit bekannten Rednern stärkten die Wettbewerbsposition der Sparkassen auf einem hart umkämpften freien Markt.

Das „Sparkassen-Gesprächsforum in Witten“ richte sich seit 35 Jahren an „sehr gute Firmen- und Gewerbekunden“. Bis zu 1000 Gäste besuchten diese Veranstaltungen. Eine gute Gelegenheit, so heißt es, um die Kontakte zu diesen wichtigen Kunden noch weiter zu intensivieren.