Berlin. Die Spitzen von CDU, CSU und FDP sind am Sonntagabend im Kanzleramt zum mit Spannung erwarteten Koalitionstreffen zusammengekommen. Unter anderem soll es um die Praxisgebühr und das Betreuungsgeld gehen. Gegen letzteres will die SPD derweil notfalls mit einer Verfassungsklage vorgehen.

Die schwarz-gelbe Koalition ringt weiter um Einigung in zentralen politischen Feldern. Am frühen Sonntagabend sind die Spitzen von Union und FDP im Kanzleramt in Berlin zusammengekommen, um Beschlüsse vor allem zu Betreuungsgeld, Rente, Haushalt und Praxisgebühr zu fassen. Es gebe Fortschritte, hieß es am Sonntagabend aus Teilnehmerkreisen in Berlin. Im Koalitionsausschuss seien alle strittigen Themen bislang einmal durchgesprochen worden, hieß es weiter. Nach einer kurzen Pause wolle man sich auf konkrete Ergebnisse einigen.

Eine Verständigung erhofft sich das Bündnis etwa beim Betreuungsgeld sowie im Umgang mit den Milliardenüberschüssen der gesetzlichen Krankenkassen. Die FDP macht sich für eine Abschaffung der Praxisgebühr stark, die Union favorisiert eine Absenkung des Beitragssatzes.

SPD verurteilt "Wahlgeschenke"

Die SPD attackierte derweil die Regierung: Es würden "Wahlgeschenke verteilt ohne Rücksicht auf den Haushalt", sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

An dem Arbeitstreffen im Kanzleramt nehmen CDU-Chefin Angela Merkel, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, FDP-Chef Philipp Rösler, FDP-Vize Birgit Homburger und die beiden Bundestagsfraktionschefs Volker Kauder (CDU) und Rainer Brüderle (FDP) teil. Zudem wurden CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die Generalsekretäre Hermann Gröhe (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Patrick Döring (FDP) sowie die Parlamentarischen Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) und Jörg van Essen (FDP) zum Koalitionsausschuss geladen. Auch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) ist zugegen. Das Treffen findet jedoch ohne Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) statt, der sich auf einer Dienstreise in Mexiko befindet.

Brüderle mahnt zu Entschlossenheit

Die FDP will die Praxisgebühr abschaffen und eine zügigere Konsolidierung des Bundeshaushalts erreichen. Ziel der Union ist es vor allem, das Betreuungsgeld nach jahrelangem Streit zu beschließen. Allerdings stellten die Liberalen Bedingungen für ihre Zustimmung. In Teilen der Union wollte man ein Ende der Praxisgebühr nicht mittragen. CSU-Chef Seehofer verlangte von dem Treffen im Kanzleramt "Ergebnisse". Nur so könne man im Bundestagswahlkampf glaubwürdig für eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb werben, sagte Seehofer.

FDP-Fraktionschef Brüderle mahnte ebenfalls Entschlossenheit an. "Es sind eine Reihe von Fragen, die sich aufgetürmt haben in den letzten Wochen und Monaten", sagte Brüderle im "Bericht aus Berlin" der ARD und fügte hinzu: "Und jetzt muss die Regierung zeigen, dass sie handlungsfähig ist und Entscheidungen treffen." Er sei jedoch sehr optimistisch, dass Lösungen gefunden würden.

SPD und Grüne prüfen Klage gegen das Betreuungsgeld

Beim Betreuungsgeld deutete der FDP-Fraktionschef an, dass seine Partei ihren Widerstand aufgeben will: "Da wurde ja nachgebessert von der Union gegenüber dem, was im Sommer zur Entscheidung anstand." Den Liberalen sei wichtig, dass das Konzept Bildungsaspekte enthalte. "Hier Anreize zu setzen. Darum geht es."

Die SPD hat bereits angekündigt, rechtliche Schritte gegen das Betreuungsgeld zu prüfen. Auch die Grünen schließen nun eine Klage in Karlsruhe nicht aus. "Wenn die Koalition das Betreuungsgeld tatsächlich beschließt, werden wir auf jeden Fall prüfen, ob nicht gute Gründe für eine Verfassungsklage vorliegen", sagte Grünen-Chef Cem Özedmir der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Montagausgabe). Dazu würden sich die Grünen mit der SPD abstimmen.

Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen im Kanzleramt kritisierte Steinmeier, die schwarz-gelbe Regierung betreibe einen "Kuhhandel" und könne einen ausgeglichen Haushalt nicht erreichen. "Es geht nicht, es wird nicht passieren. Die Bevölkerung wird hinter die Fichte geführt", sagte Steinmeier am Sonntag im ARD-"Bericht aus Berlin". Nach seiner Einschätzung könnte es einen schuldenfreien Haushalt bis spätestens 2016 geben. "Aber die Weichen sind durch diese Bundesregierung nicht gestellt worden." Steinmeier rechnete damit, dass das milliardenschwere Betreuungsgeld und das Ende der Praxisgebühr noch am Abend beschlossen werden. (rtr/dapd)