Essen. . In Castrop begehren die Bürger gegen die Sekundarschule auf. Auch in anderen Städten gehen die Menschen auf die Straße für ihre Schule. Die Initiative „Mehr Demokratie“ in NRW zählt aktuell acht laufende oder angekündigte Bürgerbegehren. Die FDP warnt: „Der Schulkrieg wird in die Kommunen getragen.“

Von wegen Schulfrieden: Durch NRW rollt gerade eine ganze Welle von Bürgerbegehren zu Schulfragen. An diesem Wochenende ist der Bürgerwille in Castrop-Rauxel gefragt. Dort geht es um die Zukunft einer Realschule und die Gründung von zwei Sekundarschulen. Ein Schul-Bürgerbegehren in Bergisch-Gladbach wurde gerade entschieden. Andere Initiativen laufen oder liefen in Mülheim, Ostbevern, Herdecke, Iserlohn, Kerken, Lüdinghausen, Meerbusch und Wilnsdorf. Für die Liberalen ist das ein Beleg dafür, wie wackelig der Schulfrieden im Land aufgestellt ist. „Vor Ort brennt es“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Christof Rasche, dieser Redaktion.

13 000 Unterschriften gesammelt

Der Bürgerinitiative „Rettet die Fridtjof-Nansen-Realschule“ in Castrop-Rauxel ist es gelungen, 13 000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Schule zu sammeln. Ihre Argumente: eine gut funktionierende Schule mit hochmotivierten Lehrern, die Vertrauen in der Verwaltung und der regionalen Wirtschaft genießt und es ihren Schülern ermöglicht, „zumeist problemlos den Übergang in die Sekundarstufe II zu schaffen“. Zudem führt die Bürgerinitiative ein Gutachten an, wonach der Bestand der Schule trotz des demografischen Wandels gesichert sei. Unterstützung erhält die Initiative von den Ratsparteien CDU, FDP und FWI. Nach deren Aussage habe sich das Förderkonzept der umkämpften Realschule über Jahre hinweg bewährt.

Die Stadtverwaltung Castrop-Rauxel sieht das anders: Auf Grund der sinkenden Schülerzahlen, seien aktuell vier weiterführende Schulen von der Stadt nicht mehr zu tragen. Sie setzt deshalb auf zwei Sekundarschulen, die kleinere Klassen und eine bessere Lehrerversorgung böten. Zudem sei aus Sicht der Castrop-Rauxeler SPD das Förderkonzept der Realschule nicht umsetzbar.

Um die Fridtjof-Nansen-Realschule zu erhalten, müssten am Sonntag 15 Prozent aller stimmberechtigten Wähler von Castrop-Rauxel – rund 9300 Menschen – mit „Ja“ abstimmen.

Von Schulfrieden keine Spur?

In Mülheim hatten die Bürger einen Ratsbeschluss zur Schließung einer Hauptschule ausgehebelt. In Bergisch-Gladbach stimmt der Rat der Stadt einem Bürgerbegehren zu, das sich für Erhalt und Sanierung des Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums eingesetzt hatte. Die Initiative „Mehr Demokratie“ in NRW zählt aktuell acht laufende oder angekündigte Bürgerbegehren zu schulpolitischen Fragen. Die inhaltliche Ausrichtung ist dabei höchst unterschiedlich. Während eine Initiative in Iserlohn eine Gesamtschule verhindern will, fordert die Bürgervereinigung Kerken bei Kleve die Gründung einer Gesamtschule.

Von Schulfrieden also keine Spur? „Da muss man unterscheiden zwischen dem Willen der Eltern, die laut unseren Befragungen eine Sekundarschule befürworten, und den Wünschen von Bürgern einer Kommune, die einen Schulstandort erhalten wollen“, sagte Barbara Hendricks, schulpolitische Sprecherin der SPD in NRW. Der Schulkonsens des Landes sei darauf ausgelegt, dass Städte selbst entscheiden sollen, welche Schulformen sie anbieten möchten.

Klaus Kaiser, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag, sieht den Schulfrieden im Land nicht in Gefahr. Im Gegenteil: „Der Schulkonsens bietet nur den Instrumentenkasten und lässt mehrere Lösungen zu. Die Verantwortung liegt bei den Kommunen. In den meisten Fällen läuft die Diskussion vor Ort friedlich und vernünftig ab. Natürlich kann es auch zu harten Konflikten kommen, insbesondere dann, wenn die Betroffenen nicht einbezogen werden“, sagt Kaiser. Die wachsende Zahl von Bürgerbegehren nennt er ein „Zeichen von guter Demokratie“.

Wird die Sekundarschule bevorzugt?

Christof Rasche (FDP) findet es auch gut, wenn sich Betroffene zu Wort melden und abstimmen wollen. „Die vielen Bürgerbegehren zeigen uns aber, dass vor Ort etwas brennt“, urteilt der Liberale. „Wir sehen, dass der Schulkrieg nun in die Kommunen getragen wird. Das kommt dabei heraus, wenn nicht alle Schulen die gleichen Chancen haben. Da werden mehrzügige Schulen durch falsche Anreize einfach aufgelöst“, so Rasche. Die Sekundarschulen seien künstlich bevorteilt worden, zum Beispiel durch einen besseren Personalschlüssel und durch Ganztags-Angebote.