Castrop-Rauxel. .

Integration statt Selektion: Für Bürgermeister Johannes Beisenherz ist die Sekundarschule das Modell der Zukunft. Mit Sabine Latterner sprach er über die Sorgen der Eltern und über Vorbehalte. Zugleich verdeutlichte er, welche Chance die Sekundarschule für die Jüngsten darstellen kann.

Laut Schober-Gutachten wird die Zahl der Schüler im Jahr 2020 nicht mehr für zwei Sekundarschulen ausreichen.

Beisenherz: Das Gutachten unterstellt in der Tat bestimmte Trends. Legt man diese Trends zu Grunde, dann wird es tatsächlich relativ eng mit der Schülerschaft. Ob zwei Sekundarschulen nebeneinander bestehen können, ist dann eine Frage. Das ist einfach ein Rechenexempel. Dasselbe gelte aber auch – wenn man keine Sekundarschulen einrichten würde – für die Entwicklung der Realschulen und der Schillerschule. Insofern ist das kein Gegenargument zur Sekundarschule.

Möglicherweise gibt es 2020 nur eine Sekundarschule. Aber es kommt immer darauf an, wie sich diese beiden Sekundarschulen von der Konzeption her aufstellen. Die Konzeptionen liegen im Entwurf nun vor. Künftig kommt es darauf an, wie sich diese Schulen profilieren. Ist ja gar nicht gesagt, dass der Trend zu den Gymnasien dann so bleiben muss. Es kann durchaus auch sein, dass die Elternschaft die Sekundarschule befürwortet.

Sollte eine Sekundarschule am Standort Lange Straße gegründet werden, so besteht die Sorge, dass die Schüler der Fridtjof-Nansen-Realschule ihr Gebäude verlassen und umziehen müssen.

Nein, müssten sie nicht. Das ist auch von der Verwaltung immer so kommuniziert worden: Parallel zum Aufbau der Sekundarschule, die in der Jahrgangsstufe fünf beginnt, läuft die Realschule aus. Die Schulen entwickeln sich also gegenläufig in ein und demselben Schulgebäude. Bedeutet: Die Realschule bleibt definitiv an ihrem Standort.

Die Gründung einer Sekundarschule hätte keine Auswirkung auf die Realschüler – mit einer Ausnahme: Bleibt im letzten aufgenommenen Jahrgang der Realschule ein Schüler sitzen, so müsste er entweder auf die Sekundarschule oder aber auf eine Schule in einer anderen Stadt wechseln.

Ja, das ist völlig richtig. Immer wenn es jemanden betrifft, der im jeweils letzten Jahrgang der Realschule ist. Es gibt dann nur zwei Möglichkeiten: Die Weiterbeschulung in der Sekundarschule, was ohne Probleme denkbar wäre; oder aber, wenn es die Eltern so wünschen, eine Realschule in der Nachbarstadt.

Einige Eltern haben die Sorge, dass die Leistungen des eigenen Kindes in einer Sekundarschule durch lernschwächere Mitschüler abfallen könnten. Auf der anderen Seite gibt es die Befürchtung, dass eigene Kind könnte ausgegrenzt werden. Wie nehmen Sie Eltern die Sorgen?

Diese Sorge kann man überhaupt nicht nehmen, weil diese Sorge letztlich – wenn sie in den Köpfen der Eltern verankert ist – auf alle Schulen bezogen werden kann. Machen wir uns doch nichts vor: Das ist doch kein Spezifikum einer Sekundarschule. Die Schülerschaft wird nun mal immer heterogener – in allen Schulformen, selbst an den Gymnasien. Anstatt aber nach dem Selektionsprinzip zu verfahren, sollten wir besser versuchen, die Kinder zu fördern und mitzunehmen. Die Sekundarschule bietet die idealen Rahmenbedingungen. Damit ist allerdings keine heile Welt geschaffen, da soll keine Illusion verbreitet werden. Aber die Sekundarschule kann auf heterogene Lerngruppen sehr viel besser reagieren als das dreigliedrige Schulsystem.

Zudem gebe ich zu bedenken: Die klassische Gesamtschule ist die Grundschule und wie selbstverständlich schicken alle Eltern ihre Kinder dorthin. Im Übrigen zeigen auch die wissenschaftlichen Untersuchungen, dass das gemeinsame Lernen ein pädagogischer Vorteil ist. Dieses Prinzip, das bis zur vierten Klasse gilt, warum darf das ab Klasse fünf nicht fortgeführt werden, warum müssen wir denn da die Kinder im Alter von zehn Jahren in Schubladen packen? Das habe ich nie verstanden.

Bleiben wir bei der heterogenen Schülerschaft, die es auch in Gymnasien gibt: Was passiert mit einem Gymnasiasten, der abgeschult werden muss?

Die Gymnasiasten werden dann entweder an der Willy-Brandt-Gesamtschule landen oder an den beiden Sekundarschulen, es sei denn die Eltern wünschen etwas anderes.

Wann kehrt in Castrop-Rauxel der Schulfrieden ein?

Ich hoffe und wünsche, wenn der Bürgerentscheid vorbei ist. Ich hoffe auch, dass es danach weder von der einen noch von der anderen Seite irgendein Triumph-Geheul gibt, weil das einfach unsinnig wäre. Es geht hier nicht um Sieg oder Niederlage, sondern nur darum, welche Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Weichen für die Zukunft stellen: Können Sie bereits etwas zu den nun vorliegenden Konzepten für die beiden Sekundarschulen sagen?

Es ist sehr intensiv daran gearbeitet worden, mit den Pädagogen der Quellschulen, aber auch mit Leitungen der Grundschulen. So ist also sehr viel Erfahrung eingeflossen. Es sind zwei unterschiedliche Konzepte, beide auf Castrop-Rauxel zugeschnitten. Es wurde sehr viel übernommen aus den bestehenden Schulen. Somit ist auch Realschule in der Sekundarschule.

Es sind dynamische Konzepte, die fortentwickelt werden. Beim Konzept Nord ist es so, dass bis Klasse acht integrativ unterrichtet werden soll, welches Modell danach greifen soll, wird von der Schülerschaft abhängig gemacht. Die Schulen haben sich auch Profile gegeben. Eine Schule beginnt schon ab Klasse fünf mit einer beruflichen Orientierung, das heißt, es wird schon früh sukzessive so etwas wie Lebensplanung aufgebaut.