Essen. . Das Treffen, das vor einem halben Jahrhundert im Petersdom in Rom begann, ist auch eine Geschichte über die Glaubensbrüder Joseph Ratzinger und Hans Küng. Damals waren sie sich in vielen Punkten einig. Doch dann trennten sich ihre Wege. Heute ist der eine Papst, der andere prominenter und wortmächtiger Kritiker der Amtskirche und ihrer Strukturen.

In der Schar der meist ergrauten alten Herren, die am 11. Oktober 1962 in den Petersdom einzogen, fielen die beiden Mittdreißiger schon optisch auf: Joseph Ratzinger und Hans Küng waren die Jüngsten unter den 2540 Konzilsvätern, die heute vor 50 Jahren bei der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils mitwirkten.

Beide waren fasziniert von dem neuen Papst ­Johannes XXIII., der überraschend das Konzil einberufen hatte und mit seiner Forderung, die Kirche müsse „die Fenster weit öffnen“, gerade viele junge Theologen, die unter der Erstarrung der katholischen Kirche litten, elektrisierte.

Was das Konzil bewirkte, welchen Weg die katholische Kirche seitdem nahm, lässt sich exemplarisch am Werdegang der damaligen Freunde erzählen: Der eine, Ratzinger, reihte sich ein in die Hierarchie der Amtskirche, wurde Bischof, Kardinal und ist heute Papst; der andere, Küng, zog sich den Bann des Vatikans zu und wurde der schärfste Kritiker der katholischen Kirche.

Der Aufbruch

Der frische Wind in den Kirchen umwehte 1962 auch den Bayern ­Joseph Ratzinger. Zu Konzilszeiten schwärmte er regelrecht von dem „geheimnisvollen Gefühl des ­Anfangs, das den Menschen wie kaum ein anderes bewegt und be­flügelt“. Und der Schweizer Küng, noch mehr erfasst vom Reformeifer, sah sich mit seinem Kollegen „auf derselben Wellenlänge“, wie er ­später einmal sagte. Man war sich einig: Die Kirche brauche einen Neuanfang. „Aggiornamento“ lautete das Motto des Konzils – die ­Aktualisierung des Glaubens.

Die Reformen

Die wohl sichtbarste und für die Gläubigen am meisten spürbare Neuerung durch das Konzil war die Neugestaltung des Gottesdienstes. Statt in Latein, wurde nunmehr in der jeweiligen Landessprache die Messe gelesen. Der Priester stand nicht mehr mit dem Rücken zur ­Gemeinde, sondern den Gläubigen zugewandt. Laien wurden verstärkt einbezogen, die Kanzelpredigt hatte bald ausgedient.

Zudem rückte die Ökumene ­stärker in den Vordergrund. Die Konzilsväter vollzogen eine ­Öffnung gegenüber Protestanten und Orthodoxen.

Papst Benedikt wird 85

Er wurde als Joseph Alois Ratzinger am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geboren. Das Foto zeigt ihn als Grundschüler.
Er wurde als Joseph Alois Ratzinger am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geboren. Das Foto zeigt ihn als Grundschüler. © AFP
Er ist Sohn eines Gendarmeriemeisters und einer Köchin. Seine Geschwister heißen Maria und Georg Ratzinger. 1951 werden die Brüder Georg (l.) und Joseph Ratzinger (r.) zu Priestern geweiht. Von 1946 bis 1951 studiert Ratzinger katholische Theologie und Philosophie in Freising.
Er ist Sohn eines Gendarmeriemeisters und einer Köchin. Seine Geschwister heißen Maria und Georg Ratzinger. 1951 werden die Brüder Georg (l.) und Joseph Ratzinger (r.) zu Priestern geweiht. Von 1946 bis 1951 studiert Ratzinger katholische Theologie und Philosophie in Freising. © ddp
Im März 1977 wird er von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Die Bischofsweihe folgt am 28. Mai 1977.
Im März 1977 wird er von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Die Bischofsweihe folgt am 28. Mai 1977.
Bereits am 27. Juni 1977 wird er als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santa Maria Consolatrice al Tiburtino in das Kardinalskollegium aufgenommen. Als Kardinal empfängt er auch den späteren Papst Johannes Paul II.
Bereits am 27. Juni 1977 wird er als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santa Maria Consolatrice al Tiburtino in das Kardinalskollegium aufgenommen. Als Kardinal empfängt er auch den späteren Papst Johannes Paul II. © imago stock&people
So sieht das offizielle Zeichen der Wahl im Vatikan aus. Weißer Rauch steigt aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle - Zeichen für die geglückte Papstwahl.
So sieht das offizielle Zeichen der Wahl im Vatikan aus. Weißer Rauch steigt aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle - Zeichen für die geglückte Papstwahl.
Kardinal Ratzinger zeigt sich am 19. April 2005 als 265. Papst, Benedikt XVI., der römisch-katholischen Kirche auf dem Balkon.
Kardinal Ratzinger zeigt sich am 19. April 2005 als 265. Papst, Benedikt XVI., der römisch-katholischen Kirche auf dem Balkon. © AFP
Die Menschenmassen auf dem Petersplatz jubeln ihm zu.
Die Menschenmassen auf dem Petersplatz jubeln ihm zu. © AFP
Diese Schlagzeile vom 20. April 2005 wird zu einem geflügelten Wort, wenn vom deutschen Papst die Rede ist.
Diese Schlagzeile vom 20. April 2005 wird zu einem geflügelten Wort, wenn vom deutschen Papst die Rede ist.
Vor dem Geburtshaus im heimischen Marktl tummeln sich nach der Papstwahl die Fotografen.
Vor dem Geburtshaus im heimischen Marktl tummeln sich nach der Papstwahl die Fotografen. © AFP
Jedes Detail wird beleuchtet.
Jedes Detail wird beleuchtet. © AFP
Und die Souvenir-Industrie weiß den Papst aus Deutschland gut für sich zu nutzen: Von Kerzen ...
Und die Souvenir-Industrie weiß den Papst aus Deutschland gut für sich zu nutzen: Von Kerzen ...
... über Bier ...
... über Bier ...
... und echte Benedikt-Torten ...
... und echte Benedikt-Torten ... © imago stock&people
... bis hin zu den Klassikern wie Ansichtskarten ...
... bis hin zu den Klassikern wie Ansichtskarten ... © imago stock&people
... und Püppchen ist alles dabei.
... und Püppchen ist alles dabei. © ddp
In bayerischen Altötting gibt es auch einen Papst-Benedikt-Platz.
In bayerischen Altötting gibt es auch einen Papst-Benedikt-Platz. © imago stock&people
Der Papst besucht Deutschland: Pilger spiegeln sich am 16. August zum XX. Weltjugendtag auf der Domplatte in Köln im Glas vor einem Plakat von Papst Benedikt XVI.
Der Papst besucht Deutschland: Pilger spiegeln sich am 16. August zum XX. Weltjugendtag auf der Domplatte in Köln im Glas vor einem Plakat von Papst Benedikt XVI. © ddp
Die Ankunft ist eher windig.
Die Ankunft ist eher windig. © ddp
Die Prominenz lässt nicht lange auf sich warten. Gerhard Schröder und seine Frau begrüßen Papst Benedikt XVI.
Die Prominenz lässt nicht lange auf sich warten. Gerhard Schröder und seine Frau begrüßen Papst Benedikt XVI. © ddp
Papst Benedikt XVI. (l.) reicht Pilgern des Weltjugendtages die Hände. Der Besuch in Deutschland ist seine erste Auslandsreise.
Papst Benedikt XVI. (l.) reicht Pilgern des Weltjugendtages die Hände. Der Besuch in Deutschland ist seine erste Auslandsreise. © ddp
Der Besuch und das stille Gedenken im Kölner Dom gehört zum Besuch im Rheinland dazu.
Der Besuch und das stille Gedenken im Kölner Dom gehört zum Besuch im Rheinland dazu. © ddp
Die Massen lieben ihn. Papst Benedikt winkt auf dem Marienfeld in Kerpen den Pilgern des Weltjugendtages zu. Er zelebrierte die feierliche Papstmesse zum Abschluss des Weltjugendtags.
Die Massen lieben ihn. Papst Benedikt winkt auf dem Marienfeld in Kerpen den Pilgern des Weltjugendtages zu. Er zelebrierte die feierliche Papstmesse zum Abschluss des Weltjugendtags. © ddp
Ein ähnliches Bild ist im April 2006 zu sehen. Zehntausende Gläubige sammeln sich am auf dem Petersplatz in Rom, um mit Papst Benedikt die Ostermesse zu feiern.
Ein ähnliches Bild ist im April 2006 zu sehen. Zehntausende Gläubige sammeln sich am auf dem Petersplatz in Rom, um mit Papst Benedikt die Ostermesse zu feiern. © AP
Der Papst ist viel unterwegs: 2006 steht er in seiner Heimatstadt vor einer neu aufgestellten Benedikt-Säule. Nach dem Besuch in Marktl am Inn reist Papst Benedikt XVI. am Abend nach Regensburg weiter.
Der Papst ist viel unterwegs: 2006 steht er in seiner Heimatstadt vor einer neu aufgestellten Benedikt-Säule. Nach dem Besuch in Marktl am Inn reist Papst Benedikt XVI. am Abend nach Regensburg weiter. © ddp
Papst Benedikt XVI. weiht die Orgel in der Basilika der Alten Kapelle in Regensburg. Das 730.000 Euro teure Instrument ist eine Schenkung des Liechtensteiner Treuhänders Herbert Batliner an den Heiligen Vater.
Papst Benedikt XVI. weiht die Orgel in der Basilika der Alten Kapelle in Regensburg. Das 730.000 Euro teure Instrument ist eine Schenkung des Liechtensteiner Treuhänders Herbert Batliner an den Heiligen Vater. © ddp
Keine leichte Zeit für den Heiligen Vater: Der Papst ist in die Kritik geraten, weil er die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Piusbruderschaft aufgehoben hatte. Unter ihnen ist der Brite Williamson, gegen den die Regensburger Staatsanwaltschaft ermittelt.
Keine leichte Zeit für den Heiligen Vater: Der Papst ist in die Kritik geraten, weil er die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Piusbruderschaft aufgehoben hatte. Unter ihnen ist der Brite Williamson, gegen den die Regensburger Staatsanwaltschaft ermittelt. © ddp
Der britische Piusbruder hatte behauptet, die historische Evidenz spreche gegen die Existenz von Gaskammern zur NS-Zeit. Auch seien nicht sechs Millionen Juden, sondern 200.000 bis 300.000 Juden von den Nazis ermordet worden.
Der britische Piusbruder hatte behauptet, die historische Evidenz spreche gegen die Existenz von Gaskammern zur NS-Zeit. Auch seien nicht sechs Millionen Juden, sondern 200.000 bis 300.000 Juden von den Nazis ermordet worden. © ddp
Die Menschen jubeln dem Papst beim letzten großen Gottesdienst seines Besuchs in Bayern trotz aller Kritik begeistert zu.
Die Menschen jubeln dem Papst beim letzten großen Gottesdienst seines Besuchs in Bayern trotz aller Kritik begeistert zu. © ddp
Papst Benedikt XVI. grüßt auf dem Islinger Feld bei Regensburg vor Beginn eines Gottesdienstes die Pilger. Gleichzeitig wird er aber wegen seiner islam-kritischen Äußerungen bei einer Vorlesung in Regensburg vor allem aus muslimischen Kreisen angegriffen.
Papst Benedikt XVI. grüßt auf dem Islinger Feld bei Regensburg vor Beginn eines Gottesdienstes die Pilger. Gleichzeitig wird er aber wegen seiner islam-kritischen Äußerungen bei einer Vorlesung in Regensburg vor allem aus muslimischen Kreisen angegriffen. © ddp
Seine Anhängerschaft ist so bunt und unterschiedlich wie die vielen Länder, die er bereist.
Seine Anhängerschaft ist so bunt und unterschiedlich wie die vielen Länder, die er bereist. © ddp
Unter den Anhängern sind viele Kinder. Sie verabschieden ihn am Münchner Franz-Josef-Strauss-Flughafen.
Unter den Anhängern sind viele Kinder. Sie verabschieden ihn am Münchner Franz-Josef-Strauss-Flughafen. © ddp
Papst Benedikt XVI. segnet ein Baby.
Papst Benedikt XVI. segnet ein Baby. © ddp
Nach dem Abflug geht es wenige Tage später weiter nach Kamerun und Angola.
Nach dem Abflug geht es wenige Tage später weiter nach Kamerun und Angola. © ddp
Zu seinem 80. Geburtstag gab es in Deutschland eine Briefmarke mit dem Foto des Papstes.
Zu seinem 80. Geburtstag gab es in Deutschland eine Briefmarke mit dem Foto des Papstes. © ddp
Ein Bild, das viele Menschen bewegt hat: Papst Benedikt XVI. empfängt im Jahr 2007 die Eltern der entführten Madeleine, Gerry und Kate McCann, in Rom.
Ein Bild, das viele Menschen bewegt hat: Papst Benedikt XVI. empfängt im Jahr 2007 die Eltern der entführten Madeleine, Gerry und Kate McCann, in Rom.
Dann geht es weiter nach Wien. Aufgrund der schlechten Witterung wird der Papst in einem Hangar empfangen. Neben der österreichischen Landeshauptstadt fährt er auch in den Wallfahrtsort Mariazell, der sein 850-jähriges Jubiläum feiert.
Dann geht es weiter nach Wien. Aufgrund der schlechten Witterung wird der Papst in einem Hangar empfangen. Neben der österreichischen Landeshauptstadt fährt er auch in den Wallfahrtsort Mariazell, der sein 850-jähriges Jubiläum feiert. © ddp
Im Frühjahr 2008 hält er eine Grundsatzrede vor der UN in New York.
Im Frühjahr 2008 hält er eine Grundsatzrede vor der UN in New York. © imago stock&people
Präsident George W. Bush empfängt ihn in Washington D.C.
Präsident George W. Bush empfängt ihn in Washington D.C. © imago stock&people
Zuschauer bejubeln ihn während seines Besuchs im Yankeestadion zu.
Zuschauer bejubeln ihn während seines Besuchs im Yankeestadion zu. © imago stock&people
Doch Bush ist nur einer von vielen wichtigen Politikern, der das Oberhaupt der katholischen Kirche empfängt.
Doch Bush ist nur einer von vielen wichtigen Politikern, der das Oberhaupt der katholischen Kirche empfängt. © imago stock&people
Angela Merkel, die Papst Benedikt XVI. in der Debatte über den Umgang mit dem Holocaust ungewöhnlich scharf kritisiert und ihn zu einer Klarstellung aufgefordert, trifft ebenfalls auf ihn.
Angela Merkel, die Papst Benedikt XVI. in der Debatte über den Umgang mit dem Holocaust ungewöhnlich scharf kritisiert und ihn zu einer Klarstellung aufgefordert, trifft ebenfalls auf ihn. © AP
So wie Bundespräsident Horst Köhler ...
So wie Bundespräsident Horst Köhler ...
... und der französische Präsident Nicolas Sarkozy.
... und der französische Präsident Nicolas Sarkozy. © imago stock&people
Währenddessen muss einer Zuhause bleiben: Der Kater des Papstes Chico, der von Rupert Hofbauer, Hausmeister des Wohnhauses von Papst Benedikt XVI., betreut wird.
Währenddessen muss einer Zuhause bleiben: Der Kater des Papstes Chico, der von Rupert Hofbauer, Hausmeister des Wohnhauses von Papst Benedikt XVI., betreut wird. © ddp
Währendessen segnet sein Herrchen ein Baby im Papamobil in Lourdes.
Währendessen segnet sein Herrchen ein Baby im Papamobil in Lourdes. © imago stock&people
Wer so bekannt ist, landet natürlich auch auf einem Motivwagen des Düsseldorfer Karnevals. Er zeigt Papst Benedikt und den Piusbruder Richard Williamson beim Händeschuetteln; Kritik an dem Verhalten des Papstes im Streit um die Piusbruderschaft.
Wer so bekannt ist, landet natürlich auch auf einem Motivwagen des Düsseldorfer Karnevals. Er zeigt Papst Benedikt und den Piusbruder Richard Williamson beim Händeschuetteln; Kritik an dem Verhalten des Papstes im Streit um die Piusbruderschaft. © ddp
Ein großer Moment: Papst Benedikt XVI. betet an der Klagemauer im Rahmen seines Besuchs in Jerusalem im Mai 2009.
Ein großer Moment: Papst Benedikt XVI. betet an der Klagemauer im Rahmen seines Besuchs in Jerusalem im Mai 2009. © imago stock&people
Er steckt einen Gebetszettel in die Klagemauer.
Er steckt einen Gebetszettel in die Klagemauer. © imago stock&people
Papst Benedikt XVI. und der Schatten eines Rabbis in Jerusalem.
Papst Benedikt XVI. und der Schatten eines Rabbis in Jerusalem. © imago stock&people
Im multimedialen Zeitalter wird der Papst auch schon mal per MMS verschickt.
Im multimedialen Zeitalter wird der Papst auch schon mal per MMS verschickt. © imago stock&people
Anhänger von Papst Benedikt XVI. während der Messe auf dem Precipice in Nazareth.
Anhänger von Papst Benedikt XVI. während der Messe auf dem Precipice in Nazareth. © imago stock&people
Benedikt XVI. hält eine Messe in der Church of Annunciation in Nazareth.
Benedikt XVI. hält eine Messe in der Church of Annunciation in Nazareth. © imago stock&people
Bilder einer Papstaudienz zahlreicher First Ladies am Rande des im Sommer 2009 in L'Aquila stattfindenden G8-Gipfeltreffens.
Bilder einer Papstaudienz zahlreicher First Ladies am Rande des im Sommer 2009 in L'Aquila stattfindenden G8-Gipfeltreffens. © imago stock&people
Um es mit Papst Benedikts Worten zu sagen:
Um es mit Papst Benedikts Worten zu sagen: "Nach einem großen Papst Johannes Paul II. haben die Herrn Kardinäle mich gewählt, einen einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn." (Erste Worte als Papst am 19. April 2005 an die Menschen auf dem Petersplatz) © ddp
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In einer eigenen Erklärung ­verwies das Konzil auf die unverbrüchliche Menschenwürde jedes Einzelnen und sprach allen Menschen das bürgerliche Recht zu, ihre Religion frei nach dem eigenen ­Gewissen zu wählen. Gleichwohl blieb es bei der Überzeugung, dass die „einzig wahre Religion“ in der katholischen Kirche zu Hause sei.

Die Trennung

Während Hans Küng sich wie viele andere in der Kirche daran machte, das Konzil beim Wort zu nehmen und offensiv für eine schnelle Umsetzung der Reformen innerhalb der katholischen Kirche warb, erlahmte der Reformeifer im Vatikan bald wieder. Wahrscheinlich lag es auch einfach an unterschiedlichen Definitionen des Reform-Begriffs.

Das Konzil – Namen, Daten, Fakten

Das Zweite Vatikanische Konzil, das am 11. Oktober 1962 unter Papst Johannes XXIII. begann, endete am 8. Dezember 1965 unter seinem Nachfolger Papst Paul VI.

Innerhalb der Kirche wurde das Treffen als Aufbruch und Kontrapunkt zum 1. Vatikanischen Konzil von 1870 verstanden, das etwa die Unfehlbarkeit des Papstes festgeschrieben hatte. Erstmals in der Kirchengeschichte waren auch Beobachter aus orthodoxen und protestantischen Kirchen dabei.

In vier Sitzungsperioden von je drei Monaten erarbeiteten die Konzilsväter 16 Konstitutionen, Dekrete oder Erklärungen. Schlüsseltexte sind die Konstitutionen. Eine davon formulierte mit dem Bild des pilgernden Gottesvolkes ein neues Kirchenverständnis.

Auch organisatorisch war das Konzil eine Mammutaufgabe. So mussten insgesamt rund 10 000 Teilnehmer für die Dauer der ­Sitzung in und um Rom beherbergt und versorgt werden.

Während etwa die Neugestaltung des Gottesdienstes für die Amts­kirche bereits eine kleine Revolution darstellte, rüttelten Küng und andere sogleich an weiteren katho­lischen Tabus wie Zölibat, Frauenpriestertum oder Pille. Zusätzlichen Schwung erhielten die radikalen Reformer durch die Studenten­proteste der 68er-Bewegung.

Während Hans Küng die Forderungen unterstützte und den Protest mit anfachte, zog sich Ratzinger aus Tübingen, wo er bis 1969 mit Küng zusammenarbeitete, ins beschau­liche Regensburg zurück. Die 68er-Revolte, die er zutiefst ablehnte, war sein Bruch mit der Reform­bewegung – und mit Küng.

Der Bruch

Hans Küng wurde zum Enfant ­terrible der katholischen Kirche. Sein 1970 erschienenes Buch ­„Unfehlbar? Eine Anfrage“ leitete den Bruch mit dem Vatikan ein. Es war eine gezielte Provokation und am Ende einer langen Auseinandersetzung entzog der Vatikan – mit Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation – Küng 1979 die ­theologische Lehr-Erlaubnis. Küng zieht seitdem als Kirchenkritiker durch die Medien, schreibt Bücher mit Titeln wie „Ist die Kirche noch zu retten?“ und ruft unverdrossen zum Aufstand gegen den Papst und den Vatikan auf.

Das Treffen

Dort, im Petersdom, regiert heute Küngs ehemaliger Mitstreiter Ratzinger als Papst Benedikt XVI. und verteidigt weitgehend unnachgiebig die katholischen Dogmen. Von ­Reformen will der Oberhirte wenig wissen. Von vielen erhoffte konkrete Schritte in Sachen Ökumene blieben auch bei seinem Besuch in Deutschland, dem Lande Luthers, aus. Stattdessen hofierte Benedikt lange die erzkonservativen Pius­brüder, um sie zu einer Rückkehr in die Amtskirche zu bewegen.

Umso erstaunter reagierte die ­Öffentlichkeit, als der Papst im ­September 2005, kurz nach seinem Amtsantritt, ausgerechnet den verbannten Ex-Kollegen Küng zum Vier-Augen-Gespräch in den Vatikan lud. Es sei ein „freundschaft­liches“ Gespräch gewesen, hieß es anschließend. Tatsächlich aber ­haben sich das Oberhaupt der Amtskirche und der selbst ernannte Erneuerer heute, 50 Jahre nach ­Beginn des Konzils, einander wohl nicht mehr viel zu sagen.