Brüssel. Deutschland will seine Bundeswehrtruppen im Kosovo entlasten. Das erklärte Verteidigungsminister Thomas De Maizière bei einem Treffen der NATO-Vertreter. Er forderte mehr Unterstützung von den Bündnispartnern. Vor allem mit der reduzierten EU-Polizei und Justizmission im zeigte er sich unzufrieden.

Entweder die Aufgaben der KFOR werden anders verteilt - oder es müssen zusätzliche Soldaten her: Deutschland will seine Bundeswehrtruppen im Kosovo entlasten und dringt innerhalb der NATO auf ein verändertes Militärkonzept.

Ein entsprechender Vorstoß von Bundesverteidigungsminister Thomas De Maizière (CDU) sei beim Treffen mit den Ressortchefs der Bündnispartner "auf einhellige Zustimmung" gestoßen, sagten NATO-Vertreter am Mittwoch in Brüssel. Die USA forderten mehr Unterstützung in Afghanistan und setzten ihren Bündnispartnern ein Ultimatum.

Zurzeit werde die benötigte KFOR-Truppenstärke nur durch den nahezu permanenten Einsatz von Reserveeinheiten erreicht, kritisierte De Maizière. Darunter litten vor allem Deutschland, Österreich und Italien, die zuletzt drei Mal in Folge die Einsatzreserve gestellt hätten.

Derzeitige Truppenstärke in Afghanistan nicht ausreichend

Die jetzigen Truppenstärke von rund 5.500 Mann plus 700 Reservisten sei jedenfalls nicht ausreichend. "Entweder man braucht mehr Soldaten, dann muss man es auch sagen." Oder aber nicht, dann dürfe es allerdings auch keinen dauerhaften Einsatz von Reservekräften geben.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will nun "prüfen, welche Auswirkungen die Sicherheitslage auf die Verteilung unserer Truppen hat". Als mögliche Lösung ohne Anforderung zusätzlicher Kapazitäten brachte De Maizière die Umgruppierung vorhandener Truppen ins Spiel.

So könnten Verbände im weitgehend befriedeten Süden des Landes ausgedünnt und dafür im unruhigeren, serbisch geprägten Norden aufgestockt werden. Beim Abzug der internationalen Schutztruppen aus dem von der Bundeswehr kontrollierten Norden Afghanistans werde sich Deutschland wiederum eng mit seinen ISAF-Partnern vor Ort koordinieren, sagte der Minister.

Soldaten sollen bis 2014 verantwortungsvoll zurückgeführt werden

Hier werden Soldaten produziert

Hinterlassenschaften der Sowjets aus den 1980er Jahren...
Hinterlassenschaften der Sowjets aus den 1980er Jahren... © NRZ
...dienen heute als Trainingsobjekte in dem Ausbildungszentrum der afghanischen Armee
...dienen heute als Trainingsobjekte in dem Ausbildungszentrum der afghanischen Armee © NRZ
Nur zehn Prozent der Rekruten können lesen, rechnen oder schreiben...
Nur zehn Prozent der Rekruten können lesen, rechnen oder schreiben... © NRZ
...hier erhalten sie einen Alphabetisierungs-Grundkurs
...hier erhalten sie einen Alphabetisierungs-Grundkurs © NRZ
Ein Veteran aus vielen Kriegen: General Patyani leitet das Trainingszentrum
Ein Veteran aus vielen Kriegen: General Patyani leitet das Trainingszentrum © NRZ
Auf dem Schießplatz
Auf dem Schießplatz © NRZ
Sie sollen künftig für die Sicherheit in Afghanistan sorgen
Sie sollen künftig für die Sicherheit in Afghanistan sorgen © NRZ
Imamadi Ramazani (re) im Gespräch mit NRZ-Reporter Jan Jessen (li)....
Imamadi Ramazani (re) im Gespräch mit NRZ-Reporter Jan Jessen (li).... © NRZ
...der 21-Jährige stammt aus einem kleinen Dorf im Norden des Landes und ist Soldat geworden um seine Familie zu ernähren
...der 21-Jährige stammt aus einem kleinen Dorf im Norden des Landes und ist Soldat geworden um seine Familie zu ernähren © NRZ
7200 Soldaten werden im KMTC in Kabul gleichzeitig ausgebildet
7200 Soldaten werden im KMTC in Kabul gleichzeitig ausgebildet © NRZ
Die Grundausbildung dauert neun Wochen
Die Grundausbildung dauert neun Wochen © NRZ
1500 beenden wöchentlich ihre Ausbildung
1500 beenden wöchentlich ihre Ausbildung © NRZ
Auf dem Marsch in eine ungewisse Zukunft - ab 2014 sollen sie die Verantwortung für die Sicherheit im gesamten Land übernehmen
Auf dem Marsch in eine ungewisse Zukunft - ab 2014 sollen sie die Verantwortung für die Sicherheit im gesamten Land übernehmen © NRZ
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"'Gemeinsam rein und gemeinsam raus' bedeutet, dass wir die Zahl der Soldaten bis 2014 abgestimmt und verantwortungsvoll zurückführen. Dabei schauen insbesondere die Partner im Norden auf uns als Führungsnation." Deutschland führt das Regionalkommando im Norden Afghanistans und koordiniert dort die Truppen von 17 Partnerländern, darunter die USA, Norwegen, Belgien und die Türkei.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta forderte die NATO-Partner auf, umgehend mehr Kräfte zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte abzustellen, damit diese bald die Sicherheitsverantwortung in ihrer Heimat übernehmen können.

Angriffe der Taliban seien "empörend und besorgniserregend"

Die Zusagen für die 58 benötigten Ausbilderteams müssten im November vorliegen, verlangte Panetta von den vertretenen Ressortchefs: "Die USA haben in den vergangenen Jahren eine überproportionale Zahl solcher Teams bereitgestellt, und ich bitte um Ihre Hilfe, um die Lücke zu schließen." Immerhin sei im Afghanistan-Krieg ein "kritischer Moment" erreicht.

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Sorgen bereiten den Alliierten auch die zunehmenden Angriffe durch afghanische Sicherheitskräfte oder uniformierte Taliban, bei denen dieses Jahr schon 130 ISAF-Soldaten getötet oder verletzt wurden. De Maizière nannte dies "empörend und besorgniserregend". Die Hintergründe würden nun ausgelotet, um Tatmuster hinter den Angriffen zu erkennen und weitere Opfer zu verhindern.

Ansonsten drohten erreichte Fortschritte untergraben zu werden, denn die Taliban als Drahtzieher "wissen schon, was sie tun". Der erstmals in Brüssel anwesende afghanische Verteidigungsminister müsse deshalb alles tun, damit sich solche Angriffe in Zukunft nicht wiederholten.

Afghanische Streitkräfte kommen immer besser mit Sicherheitsverantwortung klar

Rasmussen sagte, die ISAF werde ihrerseits sicherstellen, dass "Afghanistan nie mehr zum sicheren Rückzugsgebiet für Terroristen wird". Die Abzugspläne der Schutztruppe für Ende 2014 seien unverändert gültig und würden in einem "gewissenhaften und koordinierten Prozess in Absprache mit der afghanischen Regierung" vollzogen.

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Tatsächlich kämen die einheimischen Streitkräfte und Polizisten immer besser damit zurecht, selbst Sicherheitsverantwortung zu übernehmen.Auch über die Zeit nach der Ende 2014 auslaufenden ISAF-Mission berieten die Verteidigungsminister am Mittwoch. Dabei sollte der grobe Rahmenplan für eine Stabilisierung Afghanistans mit internationaler Hilfe abgesteckt werden.

Aus Kapazitätsgründen werden Logistische Aufgaben zwischen Bündnisstaaten verteilt

"Das ist keine Kampfmission, sondern eine Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission", erklärte De Maizière das Ziel des Engagements ab 2015. Details würden erst im Laufe des kommenden Jahres geklärt, um den Militärs und Parlamenten der Bündnisstaaten eine Entscheidungsgrundlage zu geben.

Der Schutz der Ausbilder werde selbstverständlich gewährleistet, versprach De Maizière. Die Frage nach dem Wie sei allerdings noch komplizierte "Puzzlearbeit". Logistische Aufgaben und ärztliche Versorgung würden schon heute aus Kapazitätsgründen zwischen Partnerstaaten geteilt, ähnliches sei auch für den militärischen Schutz der Ausbilder nötig.

De Maiziére ist unzufrieden mit der reduzierten EU-Polizei und Justizmission im Kosovo

Immerhin kommen nach Bundeswehrangaben auf jeden Ausbilder etwa fünf bis acht weitere Hilfskräfte. Um diese personelle Herausforderung zu schultern, strebt Deutschland eine enge Abstimmung mit den anderen Truppenstellern an. Unzufriedenheit demonstrierte der Minister auch mit der reduzierten EU-Polizei- und Justizmission EULEX im Kosovo. Schon vorab hatte er erklärt: "Wenn die NATO-Reserve aktiviert wird, können nicht gleichzeitig Polizeikräfte abgezogen werden."

Eigentlich sollten bei Gefahrensituationen primär kosovarische Sicherheitskräfte ausrücken, alternativ EULEX-Polizisten und erst im Notfall NATO-Soldaten. Mittlerweile habe sich diese Reihenfolge aber umgekehrt, kritisierte De Maizière. Auch die seinem Eindruck nach mangelnde Akzeptanz der kosovarischen Sicherheitskräfte und EULEX-Mission in der einheimischen Bevölkerung bereite ihm Sorge. (dapd)