Berlin. . Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lädt Experten zum großen Demografie-Gipfel. Es geht um das dramatische Schrumpfen unseres Landes. Die Folgen dieser Entwicklung könnten verheerend sein. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, Landstriche bluten aus, es wird weniger Erwerbstätige geben.

Älter werdende Bürger, weniger Arbeitskräfte, ausblutende Landstriche: Der demografische Wandel ist eine massive Bedrohung für die Sozialsysteme, die Wirtschaft und das Leben in der Provinz. Doch wie kann man dagegen vorgehen?

Um diese Frage geht es am Donnerstag auf dem Demografiegipfel, zu dem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft geladen hat. „Ich befürchte, das ist ein reiner Fototermin“, sagte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, dieser Zeitung. Dabei drängen die Probleme.

Die alternde Bevölkerung

Bereits 2011 legte die Regierung eine schonungslose Analyse mit ihrem Demografiebericht vor. Demnach wird die Bevölkerung in Deutschland von knapp 82 auf 65 bis 70 Millionen Menschen im Jahr 2060 schrumpfen. Dann wird jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein.

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Schuld an der Entwicklung Deutschlands zur Rentner-Republik ist die niedrige Geburtenrate von durchschnittlich 1,4 Kindern je Frau und die steigende Lebenserwartung. Sie liegt für neugeborene Jungen bei 77 Jahren und neun Monaten und für Mädchen bei 82 Jahren und neun Monaten.

Die Auswirkungen

2030 könnten in manchen Regionen Ostdeutschlands 20 Prozent weniger Menschen wohnen als heute. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Beispiel Sachsen: Während Dresden nach einer Ifo-Studie im Jahr 2025 um knapp fünf Prozent wächst, dürfte die Bevölkerungszahl in Königstein um 44 und in Rathen um 37,4 Prozent zurückgehen. In solchen Orten wird es immer schwerer, die Infrastruktur – Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr und Schulen – aufrechtzuerhalten.

Die Bürger werden immer älter.
Die Bürger werden immer älter. © NRZ

Bis 2030 wird es zudem rund sechs Millionen Erwerbstätige weniger geben als heute. Nicht umsonst fordern der CDU-Landeschef in NRW, Armin Laschet, sowie die Bundesagentur für Arbeit mehr qualifizierte Zuwanderer. Die größte Gruppe der Arbeitnehmer dürfte dann zwischen 60 und 64 Jahren sein. Deren Produktivität muss man etwa durch Gesundheitsvorsorge oder flexiblen Arbeitsbedingungen erhalten.

Die Zahl der Pflegebedürftigen, vor allem der Demenzkranken, wird steigen, von 2,42 Millionen auf voraussichtlich 3,37 Millionen in 2030. Der demografische Wandel wird den Staat also etliche Milliarden Euro kosten. So flossen bereits im vergangenen Jahr 27 Prozent des Bundeshaushalts in Renten und 14 Prozent in die Krankenversicherung.

Die Reaktion der Regierung

Die Regierung hat sich im April auf die Demografiestrategie „jedes Alter zählt“ geeinigt. Der 74-seitige Bericht listet dutzende Aktionen gegen Landflucht, Fachkräftemangel, die niedrige Geburtenrate und die sinkende Produktivität auf. Das reicht von der Großelternzeit über die Zuschussrente, die Präventionsstrategie und die Förderung altersgerechter Wohnformen bis hin zur Reform der Pflege und schnellen Internetanschlüssen auf dem Land.

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Kritik der Experten

Für Reiner Klingholz vom Berlin-Institut ist der Bericht „keine Strategie, sondern ein Sammelsurium aus bestehenden Papieren und Projekten.“ Tatsächlich beinhaltet er bereits beschlossene Maßnahmen wie die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, die Familienpflegezeit, das „Landarztgesetz“, den Aufbau der privaten Pflegezusatzvorsorge oder das Deutschlandstipendium.

Aus der Sicht des Demografie-Experten müsste man sich zunächst darüber verständigen, wie viele Einwohner Deutschland mittelfristig haben sollte.

Damit verbunden sei die Frage, „wie wir das Schrumpfen organisieren“.