Essen. . Ein Sparbuch mit 700 D-Mark fürs Kind, einen Strauß Nelken für die Mutter und drei Flaschen Rotwein für den Vater: diese Geschenke gab es 1956 als Essens 700.000. Einwohner das Licht der Welt erblickte. Den Allzeit-Bewohner-Rekord erlebte die Stadt wenige Jahre später. Doch seitdem ist Essen auf Schrumpfkurs.
Vor einem halben Jahrhundert, im Juli 1962, zählte Essen 753.086 Einwohnern. Seit diesem Allzeit-Rekord ging es bergab: bis auf aktuell 569.754, Tendenz: fallend.
Ob sich schon mal jemand ein Geschenk überlegt hat? Was soll der OB den Eltern des 600.000. Einwohner Essens am Wochenbett überreichen? Ein Ticket 2000? GOP-Varieté-Karten? Briketts aus Marzipan oder ein quietschgelbes Mousepad mit „Essen“-Aufdruck?
Der Boom ging weiter
Zu schlagen sind ein Sparbuch mit 700 D-Mark fürs Kind plus ein Strauß Nelken für die Mutter plus drei Flaschen Rotwein für den Vater, die Oberbürgermeister Hans Toussaint an jenem 26. Juli 1956 der Familie Gerzen überreichte, weil Töchterchen Angelika als 700.000 Einwohnerin gezählt wurde. Und der Boom ging weiter:
Sechs Jahre später lebten im Essener Stadtgebiet (ohne die beiden noch nicht eingemeindeten Stadtteile Burgaltendorf und Kettwig) 749.193 Menschen, andere Quellen nennen gar 753.086 Einwohner. Doch von da an ging’s bergab.
2,7 Personenpro Haushalt
Vor einigen Tagen veröffentlichte das städtische Amt für Statistik und Wahlen die aktuelle Bevölkerungszahl mit Stand Ende Juni 2012. Danach zählt Essen gerade noch 569.754 Einwohner. Jeder vierte Einwohner ist der Stadt damit im vergangenen halben Jahrhundert verlustig gegangen. Wer wissen will, wo die Probleme liegen, muss nur einen Blick auf die Statistik von 1962 werfen. Danach gab es vor 50 Jahren nicht weniger als 11.155 Gebur- ten-- der „Pillen -knick“ in der Sta tistik schlug voll durch. Dabei standen 6.456 Eheschließungen gerade mal 882 Scheidungen gegenüber.
Sterbeüberschuss? Ein Fremdwort, obwohl die Zahl der ganz alten Menschen sich in Grenzen hielt: Nur 2.737 Essener waren 1962 bereits 85 Jahre alt oder älter. Nur 14.907 Ausländer zählte die Statistik. Und in einem durchschnittlichen Essener Haushalt lebten 2,7 Personen.
Blick auf die Stadtteile
Überraschende Einsichten beschert ein vergleichender Blick auf die Bevölkerungs-Entwicklung in den jeweiligen Stadtteilen. Unsere nebenstehende Tabelle stellt dazu Zahlen vom 6. Juni 1961 denen vom 30. Juni 2012 gegenüber. Der Rückgriff auf die Zahlen von 1961 erfolgt deshalb, weil sie auf einer Volkszählung basieren. Stadtteilscharfe Zahlen von 1962 gibt es dagegen nicht.
Tatsächlich könnte man in einigen Stadtteilen von der „wachsenden Stadt“ sprechen, die vor allem die CDU postuliert. Doch die Verluste überwiegen. Unterm Strich steht eine schrumpfende Stadt – seit 50 Jahren.