Berlin/Düsseldorf. . Die Frage eines Ausstrahlungsverbots für den islamfeindlichen Film „Die Unschuld der Muslime“ hat in Deutschland zu einer heftigen Debatte geführt. Kanzlerin Merkel ließ Sympathien für ein Verbot der öffentlichen Vorführung erkennen. Auslöser der Debatte war die Ankündigung der rechten Gruppierung „Pro Deutschland“, den Film in Berlin zeigen zu wollen.

Moslems in der islamischen Welt sind in Aufruhr. Botschaften und Fahnen brennen, Menschen sterben. Hass, Gewalt. Westliche Kreuzfahrtschiffe laufen aus Sorge vor Übergriffen keine Häfen in Ägypten und Tunesien mehr an. Die Polizei hierzulande erhöht die Sicherheitsvorkehrungen.

Ein plump gemachtes Video, das den Propheten Mohammed als Mörder, Kinderschänder und Weiberheld verhöhnt, hält – so scheint es – die Welt in Atem. Und die deutsche Politik hat ein neues Streitthema: Soll der Film eines amerikanischen Wirrkopfs in Deutschland öffentlich gezeigt werden, wie es die rechtspopulistische „Pro Deutschland“ angekündigt hat?

Merkel ruft zu Dialog auf

Selbst die Bundeskanzlerin kam gestern an dem Thema nicht vorbei und bezog Stellung zu einem möglichen Aufführungsverbot. Sie könne sich „vorstellen, das es dafür gute Gründe gibt“, sagte Angela Merkel vor der versammelten Presse in Berlin. Dies müsse jetzt juristisch untersucht werden. Merkel argumentiert präzise: Nicht das Schmähvideo werde verboten, sondern nur seine öffentliche Aufführung.

Die Bundeskanzlerin selbst hatte 2010 einen dänischen Karikaturisten geehrt, der mit Mohammed-Karikaturen einen Proteststurm entfacht hatte. Nun ließ Merkel durchblicken, dass sie die Karikaturen „nicht geschmackvoll“ gefunden, aber die Meinungsfreiheit verteidigt habe. Vor allem rief sie dazu auf, den Konflikt im Dialog zu lösen. Gewalt sei „kein Mittel der Auseinandersetzung“.

„Rechtliche Mittel ausschöpfen“

Merkel verwies unter anderem auf die Vorfälle im Sudan. Dort hatten Demonstranten am vergangenen Freitag das Gelände der deutschen Botschaft gestürmt und die deutsche Fahne verbrannt. Merkel mahnte gestern, „wir treten ein für ein friedliches Zusammenleben der Religionen.“ Dabei sei der Schutz der Botschaften „unabdingbar“.

„Es geht um die Frage der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Deutschland, aber auch um die Frage der guten internationalen Beziehungen auch in der arabischen Welt“, sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu einer möglichen öffentlichen Vorführung des Films. Er äußerte die Erwartung, dass die zuständigen Behörden ihre ordnungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpften, um gegen eine öffentliche Vorführung vorzugehen.

„Geistige Brandstiftung“

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach plädierte gestern für ein generelles Verbot und warf „Pro Deutschland“ geistige Brandstiftung vor. „Wir haben es hier nicht mit einer Rechtslücke zu tun, denn sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Kunstfreiheit gelten nicht schrankenlos“, erklärte Bosbach.

Gegen ein Verbot votierten Politiker von SPD und Grünen. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte der „taz“, eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reiche nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen. Verbote könnten nur das letzte Mittel sein. Der Grünen-Geschäftsführer Volker Beck sieht für ein Verbot ebenfalls keine Grundlage: „Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Film eine geschmacklose Dämlichkeit, aber ohne strafbaren Inhalt.“

Vorsichtmaßnahmen erhöht

In NRW haben die Sicherheitsbehörden ihre Vorsichtsmaßnahmen erhöht. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte dieser Zeitung, vor allem in Internet-Foren würde verstärkt beobachtet, ob sich Salafisten dort radikalisieren und zu Gewalt aufrufen.

Der Verfassungsschutz hat darüber hinaus nach eigenen Angaben etwa 80 gewaltbereite Salafisten in NRW im Visier. „Gewaltverherrlichende und missionierende Videos, Online-Zeitschriften und aufhetzende Musik haben eine immense Bedeutung für die Radikalisierung junger Menschen“, so Verfassungsschutzchef Burkhard Freier.

Immer mehr Salafisten in NRW

Nach Angaben Jägers sind Salafisten die am schnellsten wachsende islamische Gruppe in Deutschland. „Wenn der Trend anhält, haben wir zum Jahresende mehr als 1000 Salafisten in NRW erfasst“, sagte Jäger. Diese Entwicklung bereite ihm große Sorge. Mit Blick auf die Ankündigung der Rechtspopulisten von „Pro Deutschland“, den Anti-Islam-Film in voller Länge zu zeigen, meinte Jäger: „Hier provozieren sich zwei extremistische Seiten gegenseitig.“

Der Objektschutz wurde dagegen bisher nicht verstärkt. Ohnehin werden US-amerikanische und israelische Einrichtungen in NRW rund um die Uhr geschützt.