Brüssel. Eine Aufsicht für 6000 Banken - das soll nach dem Willen der EU-Kommission Wirklichkeit werden. Und zwar unter dem Dach der Europäischen Zentralbank. Wie die neue Bankenkontrolle genau funktionieren soll, wird am Mittwoch in Brüssel vorgestellt.

Mit dieser Summe könnte Griechenland problemlos vor der Pleite gerettet werden: 4,5 Billionen Euro haben die EU-Länder von Oktober 2008 bis Oktober 2011 aufgebracht, um Krisenbanken zu stützen. Damit soll Schluss sein. Die EU-Kommission stellt am Mittwoch Pläne für eine einheitliche Bankenaufsicht für die Geldinstitute der Eurozone vor. Doch es zeichnet sich bereits Streit zwischen Deutschland und der Kommission über die Frage ab, welche Banken betroffen sein sollen.

Eine gemeinsame Aufsicht soll das Bankensystem besonders in der Eurozone stabiler machen, damit nicht Probleme bei Banken in einem Mitgliedsland eine grenzübergreifende Krise auslösen. "In der Eurozone reicht die Koordination zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden nicht mehr aus", schrieb EU-Kommissionschef José Manuel Barroso kürzlich in einem Artikel. Zudem ist eine "effektive" einheitliche Bankenaufsicht die Voraussetzung dafür, dass der künftige Euro-Rettungsfonds ESM Banken in Zukunft direkt mit Finanzspritzen versorgen kann - darauf hoffen besonders Krisenländer wie Spanien.

Die zentrale Überwachung soll für alle Banken Pflicht werden

Die neue Bankenaufsicht soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt sein. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, soll dieser Auftrag Barroso zufolge "vollkommen getrennt" werden von ihren weiteren geldpolitischen Aufgaben wie etwa dem Kampf gegen Inflation. Beschlossen wurde die Aufsicht erst im Juni. Nachdem die Experten der EU-Kommission den Sommer über daran gearbeitet haben, hofft Brüssel auf schnelle Verhandlungen der EU-Länder, damit die Aufseher schon zu Jahresbeginn 2013 mit ihrer Arbeit beginnen können. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält dies für "unrealistisch".

"Für die Banken der Euro-Länder ist das verpflichtend", sagte der federführende Kommissar Michel Barnier kürzlich. Nach und nach sollten alle rund 6000 Banken der Eurozone "zentral überwacht" werden. Schäuble fordert hingegen, nur die größten und für Europas Bankensystem wichtigsten Geldhäuser zu beobachten. Eine "effektive" direkte Aufsicht aller Banken in der Eurozone sei nicht zu leisten. In Deutschland wehren sich etwa Sparkassen und Genossenschaftsbanken dagegen, unter die neue Aufsicht gestellt zu werden.

Nach einer einheitlichen Aufsicht, der sich Nicht-Euro-Länder freiwillig anschließen können sollen, will die EU-Kommission längerfristig auch eine gemeinsame Einlagensicherung für Sparer und einen gemeinsamen Abwicklungsfonds sowie einen Abwicklungsmechanismus für Pleitebanken auf den Weg bringen. Auch hier sind Proteste der deutschen Sparkassen abzusehen: Sie lehnen eine gemeinsame Einlagensicherung ab, da sie nicht das Geld ihrer Kunden für die Rettung ausländischer Banken einsetzen wollen.

Bundesfinanzminister Schäuble hält die Pläne für übereilt und falsch

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kritisiert die geplante europäische Bankenaufsicht. Übereilte Scheinlösungen würden nicht helfen, sagte der CDU-Politiker am Dienstag im Bundestag. Eine europäische Aufsicht sollte sich eher auf systemrelevante Banken konzentrieren, monierte Schäuble. Nach Vorstellungen von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sollen systemrelevante Banken ab dem 1. Juli 2013 von der EZB kontrolliert werden, alle übrigen 6000 Institute ab Anfang 2014. Es ist allerdings umstritten, ob dieses Ziel bereits so schnell erreicht werden kann.

Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Vitor Manuel Ribeiro Constâncio, ist einem Medienbericht zufolge als Chef der neuen europäischen Bankenaufsicht im Gespräch. Allerdings müsse der Portugiese das Amt als Vollzeitjob ausüben und sich aus der Geldpolitik zurückziehen, berichtete das "Handelsblatt" am Dienstag unter Berufung auf EU-Kommissionskreise. Der 68-Jährige ist seit 2010 EZB-Vizepräsident. (afp/rtr)