Düsseldorf. . Noch gilt das Bohrverbot. Fracking findet derzeit in NRW nicht statt. Doch bis Ende der Woche will die Landesregierung eine Art dritten Weg zwischen Verbot und Fördergenehmigung auf den Weg bringen
Die einen warnen vor folgenschweren Umweltschäden, die anderen vor unverantwortlicher Technologiefeindlichkeit. Die einen sehen Gefahren für das Trinkwasser, die anderen Chancen auf neue Energiequellen. Der seit Jahren tobende Streit um die unkonventionelle Förderung von Erdgas mit der sogenannten Fracking-Methode steht in NRW vor der Entscheidung – und zwingt die Landesregierung in einen schwierigen Abwägungsprozess.
Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) wollen bis Ende der Woche eine Art dritten Weg zwischen Bohrverbot und Fördergenehmigung finden.
Beim Fracking (abgeleitet vom englischen Wort „to fracture“ für „aufbrechen“) wird Erdgas aus tiefen geologischen Schichten gewonnen, die auch in NRW vorkommen sollen. Gesteinsformationen müssen mit hohem hydraulischem Druck und einem Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien aufgebrochen werden, damit das Gas herausströmt. Energieriesen wie ExxonMobil oder Wintershall haben sich 19 so genannte Aufsuchgenehmigungen auf etwa 60 Prozent der NRW-Landesfläche gesichert. Zur Förderung sind zahlreiche Tiefenbohrungen pro Quadratkilometer notwendig.
Probebohrungen untersagt
Da sich Nachrichten über Umweltschäden bei der Fracking-Förderung in den USA mehrten und der Protest von Bürgerinitiativen immer lauter wurde, hatte die Landesregierung am 18. November 2011 per Erlass jede weitere Genehmigung von Probebohrungen untersagt. Zunächst sollten die Umweltrisiken umfassend erforscht und ein Gutachten erstellt werden, das nun in mehreren hundert Seiten vorliegt. Die zentralen Aussagen des Expertise überraschen kaum: „Die Erkundung und Gewinnung von Erdgas können mit einer Reihe von Umweltauswirkungen und -risiken verbunden sein“, erklärte Umweltstaatssekretär Udo Paschedag gestern im Landtag. Die mögliche Gefährdung des Grundwassers durch den Chemieeinsatz und die ungeklärte Frage der Entsorgung von „Frackwasser“ seien dabei zentrale Bedenken. Zumal in NRW Erdgas-Lagerstätten in weniger als 1000 Metern Tiefe vermutet werden und damit im Vergleich zu konventionellem Erdgas viel näher am Grundwasservorkommen liegen.
Da die Erkundung bislang nur vermuteter Kohleflözgas- und Schiefergas-Vorkommen noch ganz am Anfang stehe, so Paschedag, sei nicht einmal abzusehen, ob sich die Förderung jemals rechnen würde.
Ist Fracking in NRW damit schon wieder Geschichte? „Wir stimmen uns zurzeit ab“, sagt Wirtschaftsminister Duin zurückhaltend. Er will diese Technologie offenbar nicht vorschnell beerdigen. Zudem müsste ein explizites Fracking-Verbot des Landes juristisch sauber gegenüber anderen Tiefenbohrungen etwa bei der Geothermie abgegrenzt werden.
CDU dagegen, FDP offen
Denkbar sei ein dritter Weg, hieß es gestern in Regierungskreisen – also eine kontrollierte, wissenschaftlich begleitete Erkundung von Gasvorkommen in NRW. So würde man keinen ökologischen Raubbau durch amerikanische Konzerne riskieren und dennoch offen bleiben für eine Weiterentwicklung der Fracking-Methode ohne Chemieeinsatz. Eine Lösung will Rot-Grün am Freitag präsentieren.
Die politische Stimmungslage ist recht unübersichtlich: Während FDP-Wirtschaftspolitiker Dietmar Brockes vor vorschnellen „Horrorszenarien“ warnt, legt sich CDU-Fraktionsvize Josef Hovenjürgen fest: „Solange diese Technik nur mit Chemie funktioniert, darf sie in NRW nicht weiterverfolgt werden.“
Darüber wundert sich wiederum Umweltminister Remmel, der im Bundesrat mit dem Vorstoß für eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung bei allen Tiefenbohrungen am Widerstand von Schwarz-Gelb gescheitert war. Eilig per Twitter-Meldung erregte sich Remmel noch während anderer Dienstverpflichtungen: „Wofür steht die CDU beim Fracking?“