Brüssel. Der neue Nato-Generalsektretär Anders Fogh Rasmussen will dem Militär-Bündnis ein neues Gesicht geben – und dafür muss er auch das Vertrauen der muslimischen Welt gewinnen. Doch der frühere dänische Ministerpräsident muss ein schweres Erbe loswerden: Den Streit um die Mohammed-Karikaturen.

Über ein Thema möchte Anders Fogh Rasmussen an seinem ersten Arbeitstag am Montag nicht sprechen: „Diese Karikaturen-Sache gehört der Vergangenheit an“, sagt er knapp, als ihn ein ägyptischer Journalist darauf anspricht. „Diese Karikaturen-Sache“ – damit meint Rasmussen die Veröffentlichung umstrittener Mohammed-Bilder in einer dänischen Zeitung vor vier Jahren. Sie war das letzte Hindernis, das der ehemalige dänische Ministerpräsident nehmen musste, um den begehrten Posten des Nato-Generalsekretärs zu bekommen: Weil er als Regierungschef eine Aussprache mit den Botschaftern muslimischer Länder damals abgelehnt hatte, wollte ihn die Türkei erst nicht an die Spitze des Bündnisses wählen.

Schweres Erbe Mohammed-Karikaturen

Nun steht der 56-Jährige im Nato-Hauptquartier im Brüssel das erste Mal in seiner neuen Funktion vor der Presse und will das schwere Erbe loswerden. „Ich möchte in die Zukunft blicken“, sagt er.

Die Herausforderungen sind groß genug: Der liberale Politiker muss als Nachfolger des blassen Niederländers Jaap de Hoop Scheffer der Nato 60 Jahre nach ihrer Gründung ein neues Gesicht geben – und dafür braucht er auch das Vertrauen der muslimischen Welt.

Zügiger Rückzug aus dem Kosovo

An oberster Stelle steht für ihn der Einsatz in Afghanistan: Die Europäer sollen sich stärker am Hindukusch engagieren, aber nicht nur militärisch. Denn für den Erfolg der Mission von knapp 64.000 Soldaten seien vor allem zivile Anstrengungen nötig, erklärt Rasmussen: Hilfe beim Wiederaufbau, bei der Ausbildung von Personal und bei der Entwicklung demokratischer Institutionen. „Langfristig müssen wir den Afghanen die Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land übergeben.“ Einen festen Zeitplan für den Abzug der internationalen Friedenstruppen lehnte der Däne aber ab. Man werde das Land so lange unterstützen, wie es nötig ist.

Dagegen will er den Rückzug der Nato aus dem Kosovo zügig vorantreiben: „Bis zum Ende meiner Amtszeit will ich die Kfor auf eine reine Abschreckungspräsenz reduziert oder aus dem Land abgezogen sehen.“

Neue Strategie mit Russland

Auch die Zusammenarbeit mit Russland besonders im Kampf gegen den Terrorismus will Rasmussen verbessern und ein neues strategisches Konzept entwickeln. Die aktuelle Strategie stammt aus dem Jahr 1999, als die Nato Krieg gegen Serbien führte. Gefahren wie Terrorismus oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sind darin nicht vorhanden. Ein Expertengremium unter der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright soll in enger Abstimmung mit den Partnerländern Vorschläge erarbeiten. Erstmals soll es außerdem eine breite Diskussion über die Zukunft des Bündnisses geben: „Ich will die Meinungen der Öffentlichkeit dazu hören, was die Nato sein sollte“, kündigt Rasmussen an. Dazu werde ein Forum auf der Homepage des Militärbündnisses eingerichtet.

Im Brüsseler Nato-Hauptquartier dürfte ihm seine mehr als siebenjährige Regierungserfahrung helfen, die schwierigen Aufgaben zu meistern - stets war er auf Bündnisse und Kompromisse angewiesen. Nicht umsonst wird ihn jetzt eine seiner ersten Reisen in die Türkei führen. „Eine gute Partnerschaft mit muslimischen Ländern ist entscheidend für die Sicherheit“, sagt Rasmussen. Und damit soll dann auch der alte Zwist um die Mohammed-Karikaturen endlich zu den Akten gelegt werden.