Brüssel. Auf dem EU-Gipfel 2002 in Kopenhagen gelang Anders Fogh Rasmussen das erste Meisterstück auf internationaler Ebene.

Mit viel diplomatischem Gespür, vor allem aber mit starkem politischen Durchsetzungswillen stellte der dänische Premier die Weichen für die größte Erweiterung in der Geschichte der Union.

Kein Wunder, dass sich Berlin, Paris und London, die maßgeblichen europäischen Nato-Mächte, angesichts dieser Macher-Qualitäten bereits darauf verständigt haben, den Dänen an die Spitze des Militärbündnisses zu hieven. Der Erwählte selbst hingegen setzt ein Pokerface auf, wenn er, wie jetzt am Rande des EU-Frühlingsgipfels, pausenlos auf die bevorstehende Berufung zum Nato-Generalsekretär angesprochen wird. „Kein Kommentar”, kanzelt der 56-Jährige lästige Fragesteller kühl ab.

Dem Dänen eilt der Ruf voraus, ein regelrechter „Kontroll-Freak” zu sein. Einer, dem Unpünktlichkeit ein Graus ist, der stets akkurat gekleidet ist und immer einen Plan hat, der Mitarbeiter permanent fordert, aber nie ungerecht ist. Rasmussen mal lässig mit einem Bierglas zu sehen, ist so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Seine professionelle Besessenheit, heißt es, gehe so weit, dass er sich schon abends um elf zu Bett begibt und jeden Morgen pünktlich um sieben einen schnellen 10-Kilometer-Lauf absolviert.

Seelenloser Roboter

Kritiker halten den Dänen-Premier für einen seelenlosen Roboter, Freunde hingegen sagen, er sei halt gut organisiert. Aber wer, wie etwa „Politiken”-Korrespondent Thomas Lauritzen, die seltene Gelegenheit hatte einen Blick hinter die Fassade werfen zu dürfen, lernt einen ganz anderen Rasmussen kennen. „Einen sympathischen Menschen, der völlig entspannt und humorvoll ist und Gefühle zeigt”, sagt Lauritzen.

Anders Fogh Rasmussen, seit über 30 Jahren im politischen Geschäft, ist mit allen Wassern gewaschen. Vor allem gilt der Liberale als prinzipienfest. So warb er früh für einen „Minimal-Staat”, im sozialdemokratisierten Wohlfahrtsparadies Dänemark ein Affront. Dass er es 2004 wagte, dänische Soldaten in den Irak-Krieg zu schicken, gilt als größter Tabu-Bruch der dänischen Außenpolitik.

Kompromisse finden

Trotzdem hat er bisher drei Wahlen gewonnen. Als der türkische Premier Erdogan in Kopenhagen verlangte, Rasmussen möge eine unliebsame kurdische Journalisten des Pressesaals verweisen, blieb dieser standhaft. So war es der impulsive Mann aus Ankara, der sich – mal wieder – auf dem Absatz umdrehte.

Das Verhältnis der beiden Politiker ist seitdem derart zerrüttet, dass ausgerechnet die Türkei nun den größten Karrieresprung des Dänen im letzten Moment vereiteln könnte. Zumal man in Ankara nicht vergessen hat, dass sich Rasmussen stets vehement gegen den türkischen EU-Beitritt ausgesprochen hat. Als weiteres Manko könnte sich seine Standhaftigkeit im erbitterten Streit um die Mohammed-Karikaturen erweisen.

Am Ende dürfte Rasmussens große politische Gabe, Bündnisse zu schmieden und auf pragmatisch-flexible Weise Kompromisse zu finden, die Berufung an die Nato-Spitze begünstigen. Ein Novum wäre Rasmussens Wahl nicht nur aus Kopenhagener Sicht. Er wäre der erste Däne an der Spitze des größten Verteidigungsbündnisses der Welt und noch nie wechselte ein Regierungschef auf den Brüsseler Chefsessel. An der Europametropole findet Rasmussen jedenfalls großen Gefallen. „Brüssel ist eine wundervolle Stadt”, gestand Rasmussen dieser Zeitung.