Brüssel. Die Bewerbung des dänischen Premierministers Rasmussen um den Posten des Nato-Generalsekretärs entwickelt sich zu einer turbulenten Achterbahnfahrt mit ungewissen Ziel. Die Türken stoßen sich vor allem an Fogh Rasmussens Haltung im Karikaturenstreit vor drei Jahren.
Die Bewerbung des dänischen Premierministers Anders Fogh Rasmussen (56) um den Posten des Nato-Generalsekretärs entwickelt sich zu einer turbulenten Achterbahnfahrt mit ungewissen Ziel. Die Türkei hat massive Vorbehalte gegen den Dänen, ein Veto Ankaras ist nicht mehr auszuschließen.
Nachfolger sollte noch in dieser Woche vorgestellt werden
Eigentlich sollte der Nachfolger des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer schon auf dem Jubiläumsgipfel in einer Woche vorgestellt werden. Doch die neuesten Reibereien hinter den Nato-Kulissen und die Pflicht zum Konsens machen diesen Zeitplan immer unwahrscheinlicher. Aus Sicht des türkischen Abgeordneten Suat Kiniklioglu ist Rasmussen für die islamische Welt „ein „problematischer Mann“. Als außenpolitischer Sprecher der regierenden AKP gilt er als politisches Schwergewicht. Ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben will, erklärte gegenüber einer Nachrichtenagentur, dass es zu einem Veto Ankaras kommen könnte.
Die Türken stoßen sich vor allem an Fogh Rasmussens Haltung im Karikaturenstreit vor drei Jahren. Mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit hatte der rechtsliberale Politiker 2006 die umstrittenen Mohammed-Karikaturen in der Zeitung „Jyllands-Posten“ verteidigt, die in der islamischen Welt für wütende Proteste ausgelöst hatten. AKP-Mann Kiniklioglu wirft dem dänischen Premier nun eine „Demütigung der islamischen Welt“ vor.
Ferner ärgert sich die türkische Regierung über den kurdischen Fernsehsender Roj-TV, der von Kopenhagen aus sendet und als Propaganda-Instrument der kurdischen Arbeiterpartei PKK angesehen wird.
Erst vor wenigen Tagen waren die Aktien des dänischen Premiers sprunghaft gestiegen. Nachdem sich bereits die „Großen Drei“ in Europa – Berlin, Paris, London – eindeutig für Rasmussen ausgesprochen hatten, gab auch Washington sein Plazet. Rasmussen stehe ganz oben auf der Liste, bestätigte ein namentlich nicht bekannter US-Regierungsvertreter.
Dass die Türkei nun derart offensiv und Rasmussen-kritisch aus der Deckung kommen würde, war in Nato-Kreisen nicht erwartet worden. Nun kommt’s darauf an, wie die USA auf Ankaras Attacken reagiert. Die Unterstützung für den Dänen ist nicht hundertprozentig, eine starke Fraktion in der Obama-Regierung wünscht sich einen echten Neuanfang an der Nato-Spitze. Rasmussen, der 2004 überraschend mit in den Irak-Krieg gezogen war, gilt hingegen als „Bush-Krieger“ und Mann von gestern.
Als nachteilig für Rasmussen könnte sich auch die wachsende Kritik aus osteuropäischen Nato-Ländern erweisen. Sie nehmen den „Großen Drei“ weniger den Namensvorschlag an sich übel, sondern dass sie die Kandidatenkür quasi im Alleingang vorgenommen haben. Gestiegen sind inzwischen die Chancen des norwegischen Außenministers Jonas Gahr Store. Sein größtes Manko: Norwegen ist nicht EU-Mitglied.
Die Nato kann sich mit der Generalsekretärs-Wahl, die auch von den Nato-Botschaftern vorgenommen werden darf, noch Zeit lassen. De Hoop Scheffer geht erst am 31. Juli.