Mainz. . Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner hat Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wegen der Insolvenz des Nürburgrings angegriffen. Sie warf ihm eine „unterentwickelte Kultur“ im Umgang mit Fehlern und Wählertäuschung vor. So begründete Klöckner das beantragte Misstrauensvotum gegen Beck.

Kurt Beck regiert sein Rheinland-Pfalz seit 18 Jahren. Der Sozialdemokrat ist der dienstälteste Ministerpräsident der Republik. Jetzt bringt ihn das Desaster um den insolventen „Erlebnispark“ am Nürburgring, der die Steuerzahler schon mindestens 330 Millionen Euro gekostet hat, unter massiven Druck. Morgen stimmt der Landtag über ein Misstrauensvotum der Opposition ab – das erste nach 60 Jahren in der biederen Mainzer Landespolitik.

Julia Klöckner ist die freche Frau, die Becks „Nürburgring-Gate“ nutzen will, um das Image des treu sorgenden Landesvaters nachhaltig zu erschüttern. Die CDU-Fraktionschefin bricht mit dem ungeschriebenen Konsens in Mainz, wonach die Parteien zwar heftig streiten, letztlich aber doch nicht alles auf die Spitze treiben. Klöckner fordert Beck heraus und will die Parlamentarier zum Bekenntnis zwingen.

"Geplante Vertuschung rechtfertigt das Misstrauensvotum"

„Geplante Vertuschung“ wirft sie dem Ministerpräsidenten vor, der von der finanziellen Schieflage des Mammut-Projekts schon vor der letzten Landtagswahl gewusst, aber nichts gesagt habe. „Das rechtfertigt das Misstrauensvotum.“ Einen freiwilligen Rücktritt wegen der Affäre hat Beck bislang stets abgelehnt.

Julia Klöckner ist das komplette Gegenstück zum 62-jährigen Polit-Dino Beck. Sie ist mit 39 Jahren ein junges Gesicht in der Politik, ist redegewandt, kann auf Menschen zugehen und verfügt zudem als ehemalige Deutsche Weinkönigin über eine gewisse Prominenz auch außerhalb der Politik. Inzwischen wird die studierte Theologin und Politikwissenschaftlerin bereits als Kandidatin für den Vize-Vorsitz in der Bundes-CDU gehandelt.

Chance für Beck-Sturz ist gering

Ihr Chancen, am Donnerstag im Landtag den Pfälzer Patriarchen Beck zu kippen, sind trotzdem gering. SPD und Grüne, seit März 2011 in einer Koalition, verfügen über 60 der 101 Mandate im Landtag, Klöckners CDU hat gerade einmal 41. Die Grünen wollen zu Beck stehen. Das machte auch Evelin Lemke klar, die grüne Wirtschaftsministerin, die einst aus der Opposition heraus das Ding am Ring als eine der ersten nicht nur als finanzpolitisches „Hütchenspiel“ kritisiert hatte, sondern auch als Projekt, bei dem nichts funktioniert.

Trotz geringer Siegesaussichten schaltet Klöckner auf Angriff. „Sie schaden mit dem Festhalten an der Macht nicht nur sich selbst, sondern der ganzen politischen Klasse“, ging sie Beck gestern frontal an. Und: „Was muss denn noch passieren, damit es in Deutschland für einen Politiker einen Grund für einen Rücktritt gibt?“

Klöckner schaut auf die Landtagswahl 2016

Doch im Grunde plant Klöckner langfristig. In aktuellen Wählerumfragen liegt die rheinland-pfälzische CDU heute schon Kopf an Kopf mit der über lange Jahre fast uneinholbar scheinenden SPD. Bei der Wahl 2016 könnte ihr der Machtwechsel in der Pfalz gelingen. Denn alle Signale deuten darauf hin, dass die Affäre den Sozialdemokraten bis dahin noch weit größeren Ärger machen wird.

Vor dem Oberlandesgericht Ko­blenz beginnt im Herbst der Prozess gegen Ingolf Deubel, ein alter Freund von Beck und Ex-Finanzminister. Die Anklage wirft ihm in Zusammenhang mit dem Nürburgring Untreue und uneidliche Falschaussage vor. Nicht eine Verurteilung ist es, die der SPD Sorge macht. Es könnten pikante Details zur Sprache kommen, die die Beck-Wähler nachhaltig verschrecken könnten.

Beck bastelt an Imagekampagne

Dennoch schmiedet Landesvater Beck schon einmal an einer neuen Imagekampagne für sein Reich, die die Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz herausarbeiten soll und vielleicht auch die der rot-grünen Regierung. Der Slogan der alten Regierung, „Wir machen’s einfach“, ist nach dem Nürburgring-Debakel nicht mehr brauchbar. In den Überlegungen für das neue Konzept ist irgendetwas mit „Wir verstehen es, gut zu leben“.