Nürburgring-Pleite bringt Kurt Beck ins Schleudern
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Mainz. . Achterbahn, Einkaufsmeile, Superdisco: Aus dem Nürburgring sollte ein gigantischer Freizeitpark werden. Doch entstanden ist ein Schuldendesaster für das Land Rheinland-Pfalz. Für Landeschef Kurt Beck könnte die Insolvenz der Anlage das Ende der Karriere bedeuten.
Kurt Beck war 2005 auf der Höhe seiner Macht. Er wollte aus der „grünen Hölle“ der Formel 1, die alle zwei Jahre vorbeikommt, blühende Landschaften für seine Rheinland-Pfälzer machen. In der Eifel, meinte er, müsse „was los sein“. Der Mainzer Ministerpräsident ließ an der Rennstrecke den Freizeitspaß „Nürburgring 2009“ bauen. 330 Millionen Euro durch den Landesetat abgesicherte Kredite steckte seine Regierung in das Projekt, weil private Investoren ausblieben. Jetzt meldete die staatliche Betreibergesellschaft Insolvenz an. Dem Anlagewert von etwa 100 Millionen Euro stehen Schulden von 400 Millionen gegenüber.
Die Pleite bringt Rheinland-Pfalz finanziell ins Schleudern – und Kurt Beck politisch. Denn in der kargen Eifellandschaft hat nie etwas geblüht. Der „Ringracer“, die „weltweit schnellste Achterbahn“ (elf Millionen Kosten) ist außer Betrieb, weil schon beim zweiten Probelauf der Motor explodierte. Das „Ringwerk“ mit der „größten Videowand Europas“ blieb mangels Nachfrage oft dunkel. Das „Eifeldorf“ mit Einkaufsmeile, Souvenirshops und Lokalen, die Disco für 2000 Besucher und das Hotel mit Hubschrauberlandeplatz – sie sind meist leer. 2,5 Millionen Besucher sollten jährlich kommen. Angereist sind nicht mal ein Zehntel davon.
Boris Becker bekam 500.000 Euro für einen Auftritt am Nürburgring
Zu teuer. Zu großzügig. Zu laienhaft. So haben Kritiker den Umgang der Mainzer Administration mit dem Projekt beurteilt, über den nach den ersten Ermittlungen von Staatsanwälten 2009 auch der damalige SPD-Finanzminister Ingolf Deubel gestürzt ist. Man hatte nicht nur Projektentwickler engagiert, die bereits mit dem Bremer „SpaceCenter“ gescheitert waren. Für Auftritte von Boris Becker waren 500 000 Euro vorgesehen, man fiel auf ungedeckte Schecks und einen angeblichen Investor namens DuPont herein, der sich als armer Schlucker entpuppte.
Trotz allem: „Beste Chancen“ habe das Vorhaben – notfalls in Staatsregie, hatte Beck bis in die jüngste Zeit versprochen. Doch seit wann weiß er von der Schieflage? Hielt er den Mund, um die Wiederwahl 2011 nicht zu gefährden? Verschleppte er die Insolvenz, was strafrechtliche Konsequenzen haben könnte? Durfte seine Regierung die Staatshilfen über die landeseigene Investitions- und Strukturbank (ISB) ausgeben? Die EU sagt: Nein. Sie löste mit einem abgelehnten Antrag auf eine Überbrückungshilfe Mitte Juli die Insolvenz aus.
Kurt Beck droht das Ende, aber ein Nachfolger ist nicht in Sicht
Die drängenden Fragen mischen die rheinland-pfälzische Politik auf. Heute soll der Landtag in einer Sondersitzung beraten – und nach Becks Willen nach den bewilligten 254 Millionen Euro noch 80 Millionen nachschießen, um den ISB-Kredit abzulösen. Denn die Gefahr ist groß, dass sich die Bank selbst verhoben hat.
Rock am Ring 2012
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Besonders schwer tun sich die Grünen, Becks Koalitionspartner, mit der Aufarbeitung. Wirtschaftsministerin Evelin Lemke sah das Debakel kommen. „Das ist ein großes Hütchenspiel“, stellte sie im Sommer 2010 aus der Opposition heraus fest. Jetzt, in der Regierungsverantwortung in die Loyalität zur SPD eingebunden, ist Lemke ruhiger.
Überlebt Kurt Beck, dienstältester SPD-Ministerpräsident, das Drama im Amt? Im Frühjahr hatte er schon mal Pläne eines vorzeitigen Rückzugs durchsickern lassen, dann aber die Absicht widerrufen. Wohl fehlt auch der geeignete Nachfolger. Alle denkbaren Kandidaten haben beim Poker um „Nürburgring 2009“ mitgespielt. Und die regierende SPD wollen ohnehin nur noch 31 Prozent wählen.
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