Berlin. Sonntägliche Merkel-Festspiele in der ARD. Erst durfte die Kanzlerin im „Sommer-Interview“ selbst ran, später hatten bei Günther Jauch ihre Kritiker das Wort. Fazit: Merkel ist die Highlanderin von Berlin - es kann nur eine geben.
Was hat diese Bundeskanzlerin nicht alles am Kopf! Euro und Energiewende, Homo-Ehe und Haushaltsloch, Beschneidung und Betreuungsgeld, Samaras und Seehofer. Um nur einige ihrer Baustellen zu nennen. Und dann taucht auch noch diese Frau Höhler aus der Versenkung auf und haut ihr so ein fieses Buch um die Ohren: „Die Patin“. Merkel als weiblicher Marlon Brando!? Nun ja, was die Mundwinkel betrifft ... aber lassen wir das.
Die "mächtigste Frau der Welt" bleibt gelassen
Wer nun erwartet hatte, die Kanzlerin würde, wie sie da so in dem roten ARD-Sessel am Spree-Ufer thront, dem Uli Deppendorf mit der Rechten den Siegelring zum Kuss hinhalten, der sieht sich getäuscht. Statt als Polit-Patin zeigt sich Angela Merkel in ihrer Paraderolle – als Teflonkanzlerin. Die Frau, an der der alles abtropft - die ewig gleichen Fragen der ARD-Journalisten ebenso wie die Frontal-Kritik einer Gertrud Höhler oder die nervigen Euro-Aufmüpfigkeiten der CSUler aus dem Süden der Republik. Ist Angela Merkel nicht gerade erst vom Forbes-Magazin mal wieder zur mächtigsten Frau der Welt gekürt worden? Das macht gelassen.
Die nicht eben nachhakenden Fragen des ARD-Duos Deppendorf/Becker verlangen Merkel keine große Leistung ab. Der Euro? Wird schon werden. Energiewende? Schwierig, aber machbar. Steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe? Wohl eher nicht. Nur als Deppendorf auf die Grantler von der CSU zu sprechen kommt, geht die Kanzlerin – vorsichtig – in die Offensive. Hatten die Bayern zuletzt doch so vehement gegen Athen gestänkert (Motto: „Zieht den Griechen die Spendierhosen aus!“), dass selbst Guido Westerwelle mit finsterer Miene ein Ende des Griechenland-Mobbings forderte. Nun mahnt die Regierungschefin: „Jeder sollte die Worte sehr wägen.“ Für Merkelsche Verhältnisse ist das ein veritabler Rüffel.
Kritik am "System M." und der Zentralisierung der Macht
Der Name Gertrud Höhler kommt der Kanzlerin dagegen gar nicht erst über die Lippen. Die Frau, die sich gern Kanzler-Beraterin nennen lässt, darf dann später am Abend ihre Brachial-Attacke auf das „System M.“ fortsetzen. Bei ARD-Cheftalker Günther Jauch kann Höhler – zwar seit 25 Jahren CDU-Mitglied, aber nie in eine hochrangige Position der Partei gelangt – ihre Thesen verteidigen. Etwa jene, dass die Ostdeutsche Merkel, in der DDR sozialisiert, im SED-Staat die Anpassung an die Mächtigen gelernt und nach der Wende in die neue Bundesrepublik transportiert habe. Merkels Wort von der „Alternativlosigkeit“ mancher ihrer Entscheidungen, so Höhler, sei ein Zeichen für ein schwieriges Verhältnis zur Demokratie. Die „egomanische“ Machtfrau Merkel sei in der Berliner Republik die „Fremde aus Anderland“. Sie betreibe die „Zentralisierung der Macht“.
„Haben Sie ein persönliche Problem mit Angela Merkel?“, will Moderator Jauch unter dem Gekichere des Publikums von Höhler wissen. Ach was, kontert die. Das sei doch nur Macho-Denken, wenn eine Frau die andere kritisiert.
Und wer rebelliert offen? Offenbar niemand ...
Sekundiert wird Höhler von dem Publizisten Wolfgang Herles. Merkel, so Herles, habe „ein übertriebenes Staatsverständnis“, sie wolle ständig „mehr Staat“ und habe „von Liberalität keine Ahnung“. Ludwig Erhard, der Vater des westdeutschen Wirtschaftswunders, auf den Merkel sich immer mal wieder berufe, würde sich „im Grabe umdrehen“ wenn er Merkel reden höre. Zumal der Kanzlerin immer wieder „handwerkliche Fehler“ unterliefen, etwa bei Hals-über-Kopf-Ausstieg aus der Kernkraft. Und starke Personen in der Partei, potenzielle Konkurrenten, habe sie vorsorgliche „wegrasiert“.
Starker Tobak, das alles. Scharfe Kritik an Merkel hat man zuletzt allerdings auch aus Reihen der CDU gehört, von den Konservativen und dem Wirtschaftsflügel der Partei. Merkel allein zuhaus? Mitnichten.
Denn da ist ja noch Ursula von der Leyen. Die CDU-Frau hält zu ihrer Chefin, auch wenn die Kanzlerin ihr einst den schon sicher geglaubten Einzug ins Schloss Bellevue verbaute und stattdessen Christian Wulff zum Bundespräsidenten machte. „Abstrus“, „empörend“ und „absurd“ nennet sie in ihrem bekannten Eispickel-Sprech die Attacken Höhlers. Man könne mit der Regierungschefin sehr wohl „mit offenem Visier streiten“. Höhler solle doch „Ross und Reiter nennen“ für ihre Behauptung, in den CDU liefen viele „mit der Faust in der Tasche“ herum. Höhler bleibt die Namen schuldig.
Die große Mehrheit der Bürger vertraut der Kanzlerin
Lothar de Maiziere (CDU), Ostdeutscher wie Merkel und letzter Ministerpräsident der DDR, ist in der Jauch-Runde ebenfalls zur Kanzlerinnen-Verteidigung aufgeboten, kommt aber irgendwie nicht zum Zuge. Ein-, zweimal murmelt er so etwas wie „beschämend“, was genau ihn beschämt, bleibt aber unklar. Ein anderes Mal lobt er Merkels Bescheidenheit. Der Rest ist Schweigen
Von der Leyen, die Dauer-Empörte, und de Maiziere, der Alt-Ostler – wer solche Verteidiger hat, der braucht keine Kritiker mehr. Könnte man jedenfalls meinen. Doch wie sieht die Realität aus?
Angela Merkel führt alle Beliebtheitsumfragen an. Für viele ist sie so etwas wie die Highlanderin der Politik. Es kann nur eine geben: Merkel. Im direkten Umfrage-Vergleich hängt sie denn auch die Vielleicht-Kanzlerkandidaten der SPD-Troika Gabriel-Steinmeier-Steinbrück um Längen ab. Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich bei Merkel gut aufgehoben. In der Euro-Krise gilt sie, bei allen Kurswechseln, vielen immer noch als Fels in der Brandung. Ende der Woche fliegt Merkel zum Staatsbesuch nach China. Und Gertrud Höhler? Gertrud wer?