Berlin. Der griechische Regierungschef forderte von den internationalen Geldgebern mehr Zeit, um die Reformen im Land durchzusetzen. Samaras ist am Freitag bei Kanzlerin Merkel zu Gast. Deutsche Politiker sind uneins, wie Deutschland mit Samaras Bitte umgehen soll.
Vor dem Besuch von Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras in Berlin ist die Debatte über den weiteren Umgang mit Athen in Deutschland wieder voll entbrannt. Während Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FPD) eine zeitliche Streckung der Reformen in Griechenland ablehnte, zeigte sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kompromissbereit. Eine Entscheidung wird erst erwartet, wenn die Troika die Ergebnisse ihrer Mission im September gelegt hat.
Samaras selbst versprach Deutschland die Rückzahlung aller bisher gewährten Kredite. Er sagte der "Bild"-Zeitung, Athen werde den Deutschen alle "Schulden zurückzahlen, ich verspreche es". Zugleich kritisierte er Forderungen deutscher Politiker nach einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Der Regierungschef hatte am Mittwoch mehr Zeit für die von Griechenlands internationalen Geldgebern verlangten Reformen gefordert. Er kündigte zudem an, 30 Milliarden Euro durch Privatisierungen einnehmen zu wollen. Seine Regierung werde das ausstehende Sparpaket "in den nächsten Wochen" verabschieden und die notwendigen Maßnahmen "auch umsetzen, damit wir aus der Krise herauskommen", sagte er.
Samaras wird am Freitag zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin erwartet. Am Samstag will er in Paris mit Frankreichs Präsident François Hollande sprechen. Hollande kommt bereits am Donnerstag in Berlin mit Merkel zusammen.
Uneinigkeit über Bitte um Reformaufschub
Ein Aufschub der Reformen in Griechenland helfe "nicht weiter" und "würde die Glaubwürdigkeit des Regelwerks schwächen", wurde Rösler am Donnerstag im Onlineportal der "Bild"-Zeitung zitiert. Neues Vertrauen in den Euro werde nur geschaffen, wenn sich alle an die Regeln hielten. "Das bedeutet auch: Wer fest vereinbarte Reformzusagen nicht einhält, kann keine weitere finanzielle Hilfe erwarten", mahnte Rösler.
Auch die Chefin der Linkspartei, Katja Kipping, warnte vor Zugeständnissen an Athen. "Wir sagen nein zu allem, was auf neue Geldspritzen hinausläuft", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Kipping kritisierte, dass Griechenland bis heute nicht konsequent gegen Kapitalflucht und Steuerhinterziehung vorgehe. Während "reiche Griechen" in Geld "in die Schweiz" verschöben, hafte die Allgemeinheit, sagte sie und forderte einen Sonderbeitrag von reichen Griechen.
Steinmeier, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, sprach sich dafür aus, Athen entgegenzukommen. "Wenn das neue Konsolidierungsprogramm der Griechen plausibel und belastbar ist, wäre es doch nicht besonders klug, wegen einer Verlängerung des Zahlungsziels von zwölf Monaten alle Forderungen in den Wind zu schreiben", sagte er der "Frankfurter Rundschau" und zeigte sich überzeugt, dass Merkel "am Ende doch einer Verlängerung zustimmen" werde.
Troika prüft Sparanstrengungen
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sprach sich im "Bild"-Onlineportal dafür aus, die Bitte Samaras' zu prüfen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der "Rheinischen Post, die Erwartungen an Griechenland müssten "realistisch und umsetzbar sein". Der europapolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Manuel Sarrazin, sagte im "Hamburger Abendblatt" voraus, dass sich Athen bis zum Jahr 2014 noch nicht wieder selbst finanzieren könne.
Vertreter der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds prüfen derzeit die griechischen Sparanstrengungen. Ihr Bericht soll im September vorliegen. Von ihm hängt ab, ob das hochverschuldete Land weitere Finanzspritzen erhält, um einer Staatspleite zu entgehen.
Wirtschaft bricht ein
Zwar hat Griechenland von seinen internationalen Geldgebern seit 2010 langfristige Kredite zu vergleichsweise günstigen Zinsen bekommen. Das von der Troika im Gegenzug verhängte Spardiktat würgt die Konjunktur des Landes aber zugleich auch ab. Allein im laufenden Jahr wird die Wirtschaft jüngsten Schätzungen zufolge um weitere sieben Prozent einbrechen. Nach fünf Rezessionsjahren in Folge ergibt sich daraus ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von mehr als einem Fünftel.
Daraus ergibt sich ein Teufelskreis: Weil Wirtschaftsleistung und Kaufkraft immer weiter sinken, gehen auch die Steuereinnahmen weiter zurück, das Loch in der Staatskasse wächst. Das bedeutet entweder zusätzliche Kürzungen oder mehr Hilfen. Ersteres wäre den Griechen, Zweiteres ihren Geldgebern kaum zu vermitteln. Gerade in den nördlichen Euro-Staaten mit Top-Bonität, also Deutschland, Finnland und den Niederlanden, ist die Skepsis gegenüber weiteren Hilfen enorm, ein drittes Rettungsprogramm für Athen wohl indiskutabel. (afp, dapd, rtr)