Rostock. Es waren die dunkelsten Tage in der neueren Geschichte der Stadt Rostock. Im August 1992 setzten Rechtsradikale ein Asylbewerberheim im Stadtteil Lichtenhagen in Brand. Hunderte Bürger applaudierten. Am Sonntag, 20 jahre danach, gedenkt die Stadt der Geschehnisse und erwartet Tausende Teilnehmer.
Die Gedenkveranstaltungen für die Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992 werden in diesem Jahr von einem breiteren Bündnis denn je getragen.
Dutzende Demonstrationen, Lesungen, Konzerte und Podiumsdiskussionen wurden von einer Vielzahl von Organisatoren angemeldet, wie Torsten Sohn vom Rostocker Verein Bunt statt Braun am Mittwoch sagte. Auch Bundespräsident Joachim Gauck hat sich angekündigt.
Mehrere Tausend Besucher am Wochenende erwartet
Vom 22. bis 24. August 1992 waren die in einem Wohnhaus in Lichtenhagen untergebrachten Asylbewerber - vorwiegend Sinti und Roma - von einem Mob belagert worden, ohne dass die Polizei einschritt. Als Wohnungen in Brand gesetzt wurden, gerieten mehr als 100 vietnamesische Bewohner und einige deutsche Begleiter in Lebensgefahr.
Allein zur Gedenkveranstaltung unter freiem Himmel in Lichtenhagen, das mit einem interkulturellen Fest verbunden wird, werden am Sonntag mehr als 1000 Teilnehmer erwartet.
Außerdem soll es eine Fahrraddemo nach Lichtenhagen, einen interreligiösen Dialog vor dem Sonnenblumenhaus, ein Openair-Gedenkkonzert im Stadthafen und eine Kundgebung auf dem Rostocker Neuen Markt geben. Insgesamt rechnen die Veranstalter mit mehreren Tausend Besuchern.
Stadt entschuldigte sich bei den Opfern der Anschläge
Alle Gäste seien der Stadt willkommen, sagte die stellvertretende Rostocker Oberbürgermeisterin, Senatorin Liane Melzer. Die Tage im August 1992 in Lichtenhagen gehörten zu den dunkelsten in der jüngeren Stadtgeschichte. "Die Stadt entschuldigt sich bei allen Opfern der Anschläge, so etwas darf nie wieder geschehen", sagte Melzer.
Speziell an die vietnamesische Community richtete sich Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens. Man sei dankbar, dass gerade die Vietnamesen als unmittelbare Opfer des Anschlages der Stadt verziehen hätten und in Rostock geblieben seien, sagte Jens.
Am Ort der damaligen Ausschreitungen will die Stadt am Sonntag eine etwa 20 Jahre alte Eiche pflanzen, die mit einer Gedenkplakette an die Ereignisse erinnern soll. Mit der Vielzahl von Angeboten in diesem Jahr, sich mit dem Brandanschlag von 1992 auseinanderzusetzen, habe sich auch die Stimmung in Lichtenhagen selbst verändert, sagte Rainer Fabian, Leiter des Kolping Begegnungszentrums im Stadtteil und Mitgründer der Initiative "Lichtenhagen bewegt sich".
Ein Drittel der Menschen lebt noch in Lichtenhagen
Etwa ein Drittel der Menschen von 1992 lebe noch heute in Lichtenhagen. Im Gegensatz zu früheren Jahrestagen sei die Bereitschaft, sich mit den ausländerfeindlichen Ausschreitungen und der eigenen Schuld auseinanderzusetzen, heute ungleich größer.
"Sie diskutieren mit uns, versuchen gemeinsam eine Aufklärung", sagte Fabian. Das Bündnis "Lichtenhagen bewegt sich" werde deshalb weiter Veranstaltungen anbieten. "Wir versuchen, den Tag in den Köpfen zu behalten", sagte Fabian. (dapd)