Das Grundgesetz enthält viele Regelungen, die in ihrer Einfachheit und Klarheit unmissverständlich sind. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. Für Flüchtlinge galten diese Regelungen in den vergangenen 20 Jahren nicht. Sie wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt; das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz soll eine abschreckende Wirkung haben, weswegen es Flüchtlinge mit staatlichen Leistungen abspeist, die weit unter dem Existenzminimum für Deutsche liegen. Das Bundesverfassungsgericht hat das jetzt mit deutlichen Worten für Unrecht erklärt. Gut so!
Am generell beschämenden Umgang mit Flüchtlingen ändert der Karlsruher Richterspruch allerdings nichts. Zu Erinnerung: Anfang der neunziger Jahre kamen viele Hunderttausend Menschen nach Deutschland, vor allem vom Balkan. Dort herrschte Krieg. Der deutsche Mob reagierte mit rassistischen Pogromen gegen Ausländer jedweder Herkunft, in Hoyerswerda, in Rostock-Lichtenhagen, mit mörderischen Brandanschlägen in Mölln und Solingen. Der deutsche Bundestag reagierte mit radikalen Einschränkungen des Asylrechts. Flüchtlinge, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland einreisen (das sind alle Nachbarländer), werden seitdem nicht mehr als Asylberechtigte anerkannt. Flüchtlinge dürfen nur in seltenen Ausnahmefällen arbeiten, sie dürfen den Bezirk oder Landkreis nicht verlassen, in dem sie gemeldet sind.
Mauern der Festung Europa werden undurchdringbar
Heute trägt Deutschland aktiv dazu bei, dass die Mauern der Festung Europa undurchdringbar werden; die EU handelte seinerzeit sogar mit Libyens Ex-Machthaber Gaddafi (das war, bevor er in Ungnade fiel) ein Abkommen aus – seitdem werden schwarzafrikanische Flüchtlinge dort in Lagern von Europas Grenzen ferngehalten. Und jedes Jahr ertrinken Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer, ohne dass es irgendwen groß interessiert.
Kurzum: Es besteht in Flüchtlingsfragen weit mehr Handlungsbedarf als „nur“ die Anhebung staatlicher Leistungen. In Deutschland wird immer wieder gerne über „christliche Leitkultur“ fabuliert; es wäre wohl im christlichen Sinne, wenn für Flüchtlinge wenigstens das Grundgesetz gelten würde.