Essen. Der Schweizer Botschafter tourt durch Deutschland und wirbt für das Abkommen, das die Schwarzgelder deutscher Steuersünder legalisieren soll. Die Namen der Kontoinhaber sollten dennoch ein Geheimnis bleiben. Derweil formiert sich auch in der Schweiz der Widerstand gegen den Vertragsentwurf. Und Medien spekulieren darüber, ob die teuren Daten-CDs nicht nur olle Kamellen beinhalten.

Zwischen Reichstagsge­bäude und Angela Merkels Kanzleramt weht die riesige rote Flagge mit dem Schweizerkreuz über der Botschaft. Nur die Vertretung der Eidgenossen ist so zentral in Deutschland dabei. Und in diesen Tagen ist auch der Hausherr des Gebäudes mehr denn je präsent. Botschafter Tim Guldimann reist durch die TV-Studios und Staatskanzleien der ­Republik, um das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu ­retten.

Überall beteuert er: „Ziel ist es, dass nur versteuerte Guthaben in der Schweiz angelegt werden.“ Die Chance, dass sein Werben gelingt, ist eher gering.

Denn nicht nur der Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjans und in bundesweiter Übereinstimmung dessen SPD machen Stimmung gegen den 55-seitigen Vertrag und wollen ihn im Bundesrat stoppen. Auch in der Schweiz wächst der Widerstand. Aktionisten aus unterschiedlichen politischen Lagern wollen am 25. November in einer Volksabstimmung das von den Regierungen ausgehandelte Papier zu Fall bringen.

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Gegner des Steuerabkommens aus beiden Richtungen

50.000 Unterschriften reichen, um das Referendum in Gang zu setzen. Rechte Berner Kreise machen sich für ein Nein stark, weil sie sich in der Ehre getroffen und das Schweizer Bankgeheimnis in Gefahr sehen. Schweizer Sozialdemokraten sind gegen den Vertrag, weil sie glauben, „deutsche Steuerbetrüger kommen ziemlich billig davon“, wie es SP-Chef Christian Levrat formuliert. Levrat: „Wir lassen uns nicht mehr von den Bankmanagern an der Nase herumführen.“

Sünder sollen auch in Zukunft anonym bleiben

In Berlin will der Bundestags- ­Finanzausschuss am 24. September die Vorlage 17/10059 in einer Anhörung Punkt für Punkt beraten: Dass Schwarzgelder deutscher Steuersünder ab 2013 rückwirkend bis zum Jahr 2000 mit ­Abgaben zwischen 21 und 41 Prozent nachversteuert werden sollen. Dass für künftige Fälle eine pauschale Abgeltungssteuer wie in Deutschland gelten soll. Vor allem: Dass die Sünder anonym bleiben. Unterm Strich will der Bund 2013 so 1,62 Milliarden Euro mehr einnehmen. Bundesfinanz­minister Wolfgang Schäuble (CDU) hält dies für den lohnendsten Weg.

Doch die SPD-regierten Bundesländer kündigen nicht nur ihr Nein im Bundesrat an. Parteichef Sigmar Gabriel schimpft auch auf die „organisierte Kriminalität“ der Schweizer Banken, und seine Ministerpräsidenten betreiben die Strategie des Aufkaufs gestohlener Sünder-Daten aus Schweizer Banksystemen – ­allen voran NRW.

Schweizer Behörden ermitteln gegen Steuerfahnder 

Das macht das Klima zwischen Deutschland und dem alpinen Nachbarn zunehmend gereizt. Das Berner Regierungsmitglied Ueli Maurer sagt: „Ungehörig von einem Staat, dermaßen über die Schweiz und ihre Banken herzuziehen.“

Das Klima ist schon länger ­beherrscht von offenen Konflikten. Deutsche Behörden zögern seit ­April die Antwort auf Schweizer Rechtshilfe-Ersuche hinaus, die den mit Haftbefehl unterlegten Vorwurf klären sollen, ob Wuppertaler Steuerfahnder beim Kauf einer Daten-CD Beihilfe zur Wirtschaftsspionage betrieben haben. „Die Stellungnahme ist noch in der Abstimmung zwischen Justiz- und Finanzministerium und Auswärtigem Amt“, so eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums zur WAZ.

Blufft die NRW-Regierung?

Ganz große Fragezeichen gibt es auch hinter den Andeutungen der Düsseldorfer Landesregierung, Schweizer Banken hätten deutschen Kunden Singapur als neuen Fluchtort fürs Schwarzgeld empfohlen. Der „Spiegel“ berichtet, der Beleg dafür sei eine „sechs oder sieben Jahre alte“ Video-Aufzeichnung eines Kundengesprächs. Das Magazin: „Anders als vergangene Woche kolportiert wurde, handelt es sich nicht um einen aktuellen Vorgang.“

Blufft also die Landesregierung, die sich an die Spitze der Bewegung gegen das Abkommen gesetzt hat? Will sie nur Selbstanzeigen ängst­licher Steuersünder provozieren? Könnte sogar die Linie zusammenbrechen, der Aufkauf der Scheiben sei lohnender als das Abkommen?

Manipulierte CDs mit Uralt-Daten?

In der Schweiz wird ein Verdacht laut: Dass nach längst vollzogenen verschärften Sicherheitsmaß­nahmen – die bankinterne Trennung von Namen und Kontonummern – Datendiebe keine aktuellen CDs mit Sündern mehr anbieten können. Hannes Lubich, IT-Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, sagte der NZZ: Es geisterten wohl, aufgemöbelt durch Photoshop-Manipulationen, immer dieselben alten CDs im Angebot an deutsche Fahnder herum. „Eine CD“, sagt er, „ist geduldig.“