Düsseldorf. NRW treibt den Steuerdaten-Krieg mit der Schweiz auf die Spitze. Die Landesregierung hat gegen den Willen der Bundesregierung erneut gestohlene CD mit den Namen von Steuersündern aufgekauft. „Große Namen“ sollen darauf stehen. Doch es gibt auch Zweifel, dass das Vorgehen legal ist.
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wollte die „siebte Kavallerie“ gegen die Schweiz schicken. Jetzt hat er dafür einen Feldherrn gefunden. Es ist sein NRW-Kollege und Parteifreund Norbert Walter-Borjans.
Die Landesregierung bestätigt den Ankauf zwar nicht. Berichten der Financial Times Deutschland (FTD) zufolge ist es aber eine CD der Union Banque Suisse (UBS), die den Fahndern ins Netz gegangen ist, und eine weitere mit Daten zu Stiftungen, bei denen reiche Deutsche ihr Geld steuersparend anlegen. Die Staatsanwaltschaft in Bochum ist eingeschaltet, die schon 2008 Ex-Postchef Klaus Zumwinkel überführt hatte. Beigabe des Deals mit der vom Datendieb illegal besorgten Scheibe ist offensichtlich eine Präsentation der UBS, in der dargelegt ist, wie deutsche Kunden geworben werden.
NRW-Steuerfahnder kauften schon mindestens viermal Steuer-CDs aus der Schweiz
Die jetzt angeblich für neun Millionen Euro durch NRW gekaufte CD ist mindestens der vierte große Deal, in den Nordrhein-Westfalen verwickelt ist. Mit dem ersten war Zumwinkel erwischt worden – eine Scheibe aus Liechtenstein, die dem Bundesnachrichtendienst (BND) zugespielt worden war. Auch an Luxemburger Daten kamen die NRW-Fahnder heran und hebelten so das Steuergeheimnis des Herzogtums aus. Der größte Handel ist bis heute umstritten. Die damals schwarz-gelbe Landesregierung hat ihn Anfang 2010 für sich gebucht. Preis: 2,5 Millionen Euro. 1000 Steuersünder waren auf einer Datei der Bank Credit Suisse, 400 Millionen Euro an Nachzahlungen der Steuersünder waren fällig.
Doch dieser Vorgang verfolgt die NRW-Behörden bis heute. Er endete auch tragisch: Der Datenhändler erhängte sich in seiner Berner Haftzelle. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat darüber hinaus Haftbefehl gegen zwei Wuppertaler und einen Düsseldorfer Steuerfahnder erlassen, weil sie die Daten-CD nicht nur gekauft haben, sondern auch weitere Angaben - so die Kontoeröffnungsdaten – vom Datenhändler verlangt haben sollen. Nach Schweizer Lesart Wirtschaftsspionage.
Die Piraten wollen wissen, aus welchen Kassen die Steuer-CDs bezahlt werden
Auffallend: Die Oberfinanzdirektion Rheinland hat damals versucht, den wahren Zahlungsgrund der Überweisung an den später tot aufgefundenen Datenhändler zu verheimlichen. In einem der WAZ Mediengruppe vorliegenden Schreiben der OFD Köln an den zwischengeschalteten Gocher Notar heißt es: „Der am 18.02. 2010 von mir zu Hinterlegungszwecken angewiesene Geldbetrag von 2,5 Millionen Euro auf das Notar-Anderkonto… dient der Begleichung einer vertraglichen Verpflichtung des Landes Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Zahlungsempfänger, der sie kontaktieren wird. Ich bitte Sie diese Bestätigung vertraulich zu behandeln und ausschließlich für Revisionszwecke zu verwenden“. Im Landtag gibt es bereits eine Nachfrage der Piraten, aus welchen Kassen eigentlich der Ankauf bezahlt wird.
Die Bilanz der NRW-Politik kann sich auf den ersten Blick sehen lassen: Unter dem Druck der Berichte über den Daten-Aufkauf haben sich bisher 6463 Steuersünder selbst gemeldet. Sie hoffen, durch Selbstanzeige nur mit einer Rück- und Strafzahlung davonzukommen. Gerade in den letzten Wochen ist die Zahl der Selbstanzeigen kräftig gestiegen. Zwischen Anfang Juli und Anfang August gingen alleine 93 ein.
Steueranwalt bezweifelt, dass die Steuer-CDs als Beweismittel taugen
Der Düsseldorfer Steueranwalt Thomas Koblenzer hat nichts gegen eine Bestrafung der Sünder. Dennoch sieht vieles kritisch. „Die CDs werden nur gekauft, um den Steuersündern Angst zu machen“. Als Beweismittel dagegen könnten die Daten auf den Scheiben kaum dienen. Es müsse ein Thema in NRW werden, dass der Datenkauf, vor allem aber die Vorgänge rund um den Kauf der Credit Suisse-CD 2010 widerrechtlich seien, sagt er. Wenn die Fahnder damals tatsächlich weitere Informationen vom Datendieb verlangt hätten, dann sei dies skandalös. Koblenzer bereitet derzeit eine Musterstrafanzeige gegen das Land vor.
Für den NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans ist der Kauf illegal besorgter Steuersünder-Daten aber nicht nur ein rechtliches oder finanzielles Thema. Es ist vor allem politisch. Er will, anders als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nicht, dass das zwischen der Bundesregierung und der Schweizer Eidgenossenschaft ausgehandelte Steuerabkommen in Kraft tritt.
Es sieht vor, dass Schwarzgeld auf Schweizer Konten pauschal mit 19 bis 34 Prozent besteuert wird. Künftige Einnahmen aus Geldanlagen sollen dann nach recht und Gesetz mit Steuern belegt werden. Der Nachteil für Deutschland: Die Kontoinhaber blieben anonym. Der Vorteil: Die Schweiz würde eine Milliarden-Abschlagszahlung leisten, von der auch ein erheblicher Teil in die NRW-Kasse fließen würde.